: Lieber pleite als französisch
■ Die Fusion der Autokonzerne Volvo und Renault ist gescheitert, Aufsichtsratschef Gyllenhammar zurückgetreten / Die Zukunft der Volvos ungewiß
Stockholm/Paris (taz/AFP) – Als Pehr Gyllenhammar am Donnerstag abend seinen Rücktritt vom Amt als Volvo-Aufsichtsratsvorsitzender bekanntgab, malte er die Zukunft des Konzerns in Grauschwarz. Bei ihm mag es Bitterkeit über das Scheitern seines Lieblingsprojektes, der Fusion mit Renault, gewesen sein. Doch die meisten WirtschaftsexpertInnen sehen die Zukunft schwedischer Autoproduktion ähnlich skeptisch.
Den drohenden Ausverkauf des schwedischen Konzerns mag der Volvo-Vorstand gestoppt haben, doch hat er dafür nicht auch die langfristige Zukunft aufgegeben? Die Volvo-Führung unter Vorstandschef Sören Gyll glaubt, Volvo sei auch ohne eine enge Partnerschaft überlebensfähig. Beweis: die guten Resultate der letzten Monate nach den Verlusten vom letzten Jahr. Nicht nur Gyllenhammar sieht hierin jedoch nichts anderes als einen vorübergehenden Wettbewerbsvorteil durch die schwache Schwedenkrone, der nichts Grundsätzliches daran ändert, daß für Volvo die goldenen achtziger Jahre vorbei sind.
Die Zeit für eine eigenständige schwedische Pkw-Produktion bei Volvo und Saab läuft langsam aus. Zu klein ist der einheimische Markt, zu groß die internationale Konkurrenz. Teure Neuentwicklungen können sich beide kaum noch leisten, und für den Namen allein sind immer weniger KäuferInnen bereit, einen kräftigen Aufpreis zu zahlen. Selbst die schwedische Zeitung Svenska Dagbladet meinte gestern, Volvo werde langfristig einen Partner zum Überleben im internationalen Konkurrenzkampf brauchen.
Volvo, Vorreiter bei der Einführung der Gruppenarbeit, hatte es zumindest geschafft, neue Wege in der Arbeitswelt einzuschlagen. Gyllenhammar, neunmaliger Träger des Titels „beliebtester Schwede das Jahres“, hatte für viele Milliarden die weltweit modernste fließbandlose Fabrik hingestellt – und nach drei Jahren wieder dichtgemacht. Renault soll die treibende Kraft dahinter gewesen sein; Gyllenhammar hatte sich gefügt, um nicht die Fusion, zu gefährden. Ebenso war der Ex-Chef, der früh die Krise des Individualverkehrs voraussah und sich für Verkehrsbeschränkung in den Städten ausgesprochen hatte, mit einer Diversifizierung des Konzerns gescheitert. Weder klappte ein Einstieg ins Nordseeöl-Geschäft noch in den Lebensmittel- und Pharmaziesektor.
Die französische Seite bedauerte gestern die Entscheidung der Schweden und erklärte, die seit drei Jahren laufende Zusammenarbeit mit Volvo solle fortgesetzt werden. Die französische Regierung betonte, sie sehe eine Fusion nach wie vor als eine sehr gute Lösung an. Renault-Chef Louis Schweitzer sagte, er glaube nicht an eine endgültige Aufgabe des Fusionsprojekts. Renault steht jedoch auch allein auf gesunden Füßen. Anders als Volvo, das 1992 kräftige Verluste eingefahren hatte und auch dieses Jahr allenfalls ein kleines Plus schafft, gehört Renault zu den profitabelsten Autoproduzenten Europas. Reinhard Wolff/lieb
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