: Adam auf der Flucht
■ Gesichter der Großstadt: Der Schweizer Aktionskünstler G.P. Adam lebt illegal in Prenzlauer Berg und ist einer der Erfinder der dortigen "Knochen"-Währung
„Auf der Flucht“, sagt G.P. Adam, „ist ein gepflegtes Äußeres sehr wichtig.“ Shampoo, Kamm und Rasierzeug trägt er deshalb stets bei sich. Auch einen Regenschirm. Doch daß ihm der Himmel auf den Kopf fällt und ihn die Eidgenossen mit Gewalt nach Hause holen, glaubt der Schweizer Aktionskünstler und Nägeli-Bewunderer mittlerweile selbst nicht mehr. „In Prenzlauer Berg“, sagt der Dreißigjährige, „fühle ich mich sicher.“ Zwar werde er von den Schweizer Behörden noch immer mit Haftbefehl gesucht, „aber das“, meint er, „scheint die Deutschen nicht zu beeindrucken“. G.P. Adam verweist auf die Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John. Die nämlich hat in Kenntnis seiner Geschichte eines seiner Projekte finanziell unterstützt: einen Workshop an Marzahner Schulen, bei dem die Kids sich ein Bild vom andern Teil der Stadt und der neuen gesellschaftlichen Realität malen sollten.
G.P. Adam ist kein Künstler im schlechtverstandenen Sinn des Begriffs. Weder hat er einen ausgeprägten Hang zur Selbstdarstellung, noch wirkt er eingebildet oder arrogant. Vielmehr kann Adam zuhören und nimmt sich manchmal selbst nicht ernst. „Provokation und Humor“, beschreibt er seine Lebensphilosophie, „werden dem Ernst der Lage am ehesten gerecht.“ Selbiger begann für Adam 1986 mit der Flucht aus Zürich. Der Grund: Militärdienstverweigerung zu einer Zeit, da es selbst in der Schweiz keinen Ersatzdienst gab. In der Bundesrepublik bewarb er sich um Asyl. Ohne Erfolg. Nachdem außerdem noch ein Verfahren wegen Denkmalschändung und Sachbeschädigung (Adam befriedete ein Kriegerdenkmal in Recklingshausen) anhängig war, versuchte er es mit einem Asylbegehren bei der Gemeindepolizei Amsterdam. Einziges Ergebnis: Der neue Name „G.P. Adam“.
„Damals“, sagt er, „ging es mir vor allem darum, mit viel Humor den Schweizer Behörden das Leben schwer zu machen.“ Das ist ihm gelungen. 1989 besetzte er mit Freunden und Künstlerkollegen als Wilhelm Tell verkleidet das Schweizer Konsulat. Unter den Augen der kunstbeflissenen Medien telefonierte er mit seinem Berner Sachbearbeiter und goß, nachdem der sich nicht geläutert zeigte, kurzerhand die Schweizer Farben Rot und Weiß gleich kübelweise an die Wände. „Das war ein schönes Kunstwerk“, lacht er, „und ich habe es überhaupt nicht verstanden, daß ich hernach wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch angezeigt wurde.“
Adam floh ein letztes Mal, diesmal in ein Land, das zu diesen Zeiten wie kein anderes Asyl gewährte: die Noch-DDR nach dem Mauerfall. Daß er mit seiner Geschichte zwangsläufig Gefahr läuft, „als Exot oder gar als Attraktion zu gelten“, ist dem Dauerasylanten durchaus bewußt. Vielleicht ist das der Grund dafür, daß er sich in Ostberlin einem Thema zuwandte, das es an Ernst nicht gebrechen läßt: Geld.
Um eine Kunstausstellung an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz zu finanzieren, besorgte Adam 1990 das nötige Kleingeld als „Konsumentenkredit“ bei einer schweizerischen Kreditanstalt und sich selbst einen weiteren Haftbefehl. Doch Adam wäre nicht Adam, wenn er den schönen Schein nicht auf seine Art umverteilen würde: So verkaufte er während einer Installation in der Ostberliner Ackerstraße (Motto „Spekulieren Sie mit Kunst“) bemalte Hundertmarkscheine für glatte achtzig Mark und als Dankeschön gab's noch eine Gratisplastik obendrein.
„Geld“, ist er seitdem überzeugt, „ist für Kunst ein ideales Transportmittel, wie die Zigarettenschachtel für die Warnungen des Bundesgesundheitsministers.“ Seine Utopie: „Jeder sollte Geldscheine mit allem möglichen vollschreiben, Ideen, Wünschen, Kritik.“ Kein Zufall, daß G.P. Adam an der Idee mit dem „Knochen“, dem Prenzelberger Zweit- und Kunstgeld, besonderen Gefallen fand. In einer Kneipe traf er den Dichter Papenfuß, der seit langem am Gesellschen Schwundgeld laborierte, und zusammen entwarfen sie das Konzept für das Knochenprojekt. Auch Adam entwarf einen „Knochen“, darauf die Hundertmarkaugen der Clara Schuhmann mit dem Konterfei von Ernst Thälmann konfrontiert sind.
Als reines Kunstprodukt will er die Prenzelberger Knochenscheine jedoch nicht verstanden wissen. Vielmehr will er dazu beitragen, gesellschaftliche Alternativen auszudenken. Daß er sich für den Prenzlauer Berg entschieden hat, liege an den dortigen Möglichkeiten und dem besonderen Klima. „Hier“, sagt er, „fühle ich mich weniger als Ausländer als in Westberlin.“ Der „Ost-West-Konflikt“ sei für ihn deshalb keine Frage des Zusammenwachsens als vielmehr ein Wettstreit verschiedener Kulturen. Doch das sei eine andere Geschichte und sollte ein andermal erzählt werden. Uwe Rada
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