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■ StandbildFeiner Florett-Talk

„Markwort NeunzehnZehn“, Sonntag, 19.10 Uhr, 3Sat

Ausgewogen, friedlich, kompetent: mit der Auswahl seiner Gäste zeigte der frühere „King Gong“ und heutige Focus-Chef Helmut „Quark“ Markwort öffentlich- rechtliches Format. Neben dem bayerischen Innenminister saß der türkische Gemüsehändler aus Solingen; außerdem ein jüdischer Repräsentant und ein parteiloser Journalist, der am vorjährigen Nikolaustag die Lichterkette mit initiierte. Oh nein, diese Runde hatte nicht den harten Austausch von Argumenten und Aversionen im Sinn, sie war auch mitnichten Forum persönlicher Eitelkeiten. Nein, man wagte sich mit elegantem Kufenschlag über das eisig glatte Terrain der political correctness: „Zeichen ohne Taten?“ hieß das Lichterkettenthema – Worte ohne Folgen?

Betroffen saßen alle beisammen. „Das Recht wird hier exzessiv ausgenutzt“, wagte sich Innenminister Beckstein aus der Deckung – es ging um die Rechtsradikalen à la Irving. Später lobte er kleinlaut die Lichterkette: „Meine Kinder haben das als einzige Möglichkeit der Artikulation gehabt.“ Markwort, der sich als agenturtextbelesener Stichwortgeber positionierte, überließ das Feld seinen Gästen. Die pflegten das rhetorische Florettspiel der feinen Stiche: Zweifel an wahltaktischen Überlegungen der Parteien meldete der unabhängige Journalist an. Sein Zupacken verpackt der Innenminister in diskrete Verallgemeinerungen: „Es muß die Gewalt als Mittel der Politik insgesamt geächtet werden.“ So zogen die sprachsensiblen Schlittschuhläufer immer engere Kreise um die Seemitte, in der das schwarzbraune Loch der „Ausländerkriminalität“ gähnte. Der Minister sagte, es gebe gar keine „Ausländerkriminalität“ – nur jene „nicht-deutscher Tatverdächtigter“. Die „importierte Kriminalität“ sei das Problem, bei den legal hier lebenden Ausländern gebe es „keine Unterschiede zu deutschen Vergleichsgruppen“. Worum es ihm wirklich ging, brachte dann ausgerechnet der türkische Gemüsehändler zum Ausdruck: „Man soll uns nicht in einen Topf tun mit einem Scheinasylant, der umsonst in Deutschland lebt.“ Da quoll es aus dem Polittalk-Getriebe, das schmutzige Öl.Dieter Deul

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