Mit Autobahnen gegen Arbeitslosigkeit

■ Zur Ankurbelung der Wirtschaft und zur Arbeitsbeschaffung setzt Delors auf Straßenbau und Kommunikationsnetze / EU-Finanzminister lehnen kreditgestütztes Finanzierungsmodell ab

Brüssel/Berlin (AP/dpa/taz) – Das Weißbuch des europäischen Kommissionspräsidenten Jacques Delors zur Förderung der kränkelnden Wirtschaft fand bei der Mehrheit der Finanz- und Wirtschaftsminister keine Zustimmung. Die Minister lehnten zumindest das Finanzierungsmodell des höchsten Europäers auf einer am Sonntag zu Ende gegangenen Tagung zu Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Wettbewerb in der Europäischen Union (EU) ab.

Einig wurde man sich allein darüber, daß die Sanierung der Staatsfinanzen, der Kampf gegen die Inflation und die steigende Arbeitslosigkeit zu Hauptzielen der Wirtschaftspolitik der einzelnen Länder werden sollen. Angesichts von 17 Millionen Arbeitslosen in der EU und einem mageren Wirtschaftswachstum von voraussichtlich 1,5 Prozent im nächsten Jahr, ist dieser Konsens nicht verwunderlich.

Delors' Aktionsprogramm hatte vorgesehen, sich mit neuen milliardenschweren Europa-Anleihen die nötigen Mittel von den Kapitalmärkten zu holen. Delors wollte so seine ehrgeizigen Pläne zur wettbewerbsfähigen Modernisierung der europäischen Wirtschaft finanzieren. Sein Steckenpferd ist dabei der Ausbau des europäischen Verkehrs- und Fernmeldenetzes. Ihm schwebt dabei vor, Europa nach US-amerikanischer Manier durch noch mehr Straßen, einige neue Schienenstränge und weitläufige Kommunikations- und Informationspisten zu vernetzen. Hierin sieht der Kommissionspräsident die Zukunft Europas im postindustriellen Zeitalter.

Schon in der letzten Woche sagte Delors vor dem Europäischen Parlament, daß er die schwierigste Aufgabe in der Wettbewerbskrise nicht bei den Lohnkosten sehe, sondern darin, wie die Europäer die technologischen Veränderungen meistern würden. Zu einem früheren Zeitpunkt hatte sich Delors bereits gegen einen Abbau von Sozialleistungen und Löhnen ausgesprochen, da dies zu volkswirtschaftlichen Verzerrungen führen würde.

Doch die Finanz- und Wirtschaftsminister haben nicht mitgezogen. Bis zum Jahr 2000 würden für das Infrastrukturprogramm 574 Milliarden Ecu (rund 1,09 Billionen Mark) benötigt. Obwohl laut Weißbuch der größte Batzen von privaten Investoren kommen sollte, könnte die EU Projekte des Verkehrs- und Fernmeldebereichs mit günstigen Krediten fördern. Insgesamt sieht das Weißbuch hierfür 20 Milliarden Ecu pro Jahr bis 1999 vor. Die jährlich acht Milliarden Ecu zusätzlich sollten als Kredite auf den Finanzmärkten aufgenommen werden.

Insbesondere Finanzminister Theo Waigel hat sich entschieden gegen neue kreditfinanzierte Ausgabenprogramme und Zinssubventionen ausgesprochen. Waigel und Wirtschaftsminister Günter Rexrodt meinten im Gegensatz zu Delors, statt die Ausgaben zu erhöhen, sollte die EU vielmehr die hohen Arbeitskosten in Europa reduzieren. Schützenhilfe bekamen die beiden von Luxemburg und den Niederlanden. Auch die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Ursula Seiler-Albring, hat die Kreditfinanzierung gestern beim Außenministertreffen scharf kritisiert. Dieser Plan laufe allen Bemühungen der europäischen Regierungen zuwider, die staatlichen Defizite zu verringern. fok