■ Kommt es bald zu einem Abschluß zwischen USA und EU?
: Noch ist alles offen

Ein Gatt-Abkommen führe zu einer jährlichen Zunahme des Welthandels um 200, 250 ja sogar um 370 Milliarden US-Dollar mit entsprechend positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: Das verkündeten Untersuchungen der Weltbank, OECD und andere nördliche Finanz- und Wirtschaftsinstitutionen in den letzten sechs Monaten. Doch solche rosigen Prognosen scheinen nicht einmal alle Akteure in den beiden Wirtschaftsblöcken EU und USA zu überzeugen. Nach sieben Jahren „Uruguay“-Runde und sieben Tage vor dem als letztmögliches Datum für ein Abkommen gehandelten 15. Dezember blockieren Gegensätze zwischen Washington und Brüssel weiterhin einen Abschluß der Verhandlungen.

Zudem könnte sich die vielfach verbreitete Annahme, die anderen 101 Gatt-Staaten würden US/ EU-Einigungformeln einfach unverändert übernehmen, als arrogante Illusion des Nordens erweisen. Denn die Vorteile des sich jetzt abzeichnenden Gatt- Abkommens sind für die meisten Länder des Südens nicht so groß wie behauptet. Laut einer vor wenigen Tagen veröffentlichten Übersicht der Genfer Gatt- Zentrale über den aktuellen Verhandlungsstand haben die Industriestaaten den Ländern des Südens für ihre Exportwaren (hauptsächlich Agrarprodukte, Rohstoffe und Textilien) bislang nur halb so hohe Zollerleichterungen angeboten, als sie sich untereinander für industrielle Fertigwaren einzuräumen bereit sind.

So überzogen und irreführend wie optimistische Prognosen sind die Horrorszenarien für den Fall eines Scheiterns der Verhandlungen: Da werden bereits Argumentationen vorbereitet, um dem heimischen Publikum die Fortsetzung von Rezession und Massenarbeitslosigkeit erklären zu können. Angesichts von Nafta-Vertrag und günstigerer Ausgangslage für den Handel mit dem pazifisch-asiatischen Raum wären die negativen Folgen eines Scheiterns für die USA geringer als für die EU. Die zunehmend protektionistischen Positionen der USA (z.B. Finanzdienstleistungen, Antidumping-Maßnahmen, Schiffsverkehr oder Besteuerung ausländischer Investitionen) erwecken sogar den Eindruck, als käme Washington ein Scheitern der Uruguay-Runde zumindest zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht so ungelegen. Zumal die EU dann als Hauptschuldiger dastehen würde. Denn die Blockade in der Argarfrage, für die wesentlich Brüssel verantwortlich ist, hat das öffentliche Bild der Gatt-Verhandlungen in den letzten drei Jahren weitgehend bestimmt und die anderen Streitpunkte verdeckt. Andreas Zumach