: Falsche Konsequenz
■ betr.: „Es bleibt bei meinen frühe ren Bedenken“, taz vom 27.11.93
Bedauerlich ist, daß Sie, Herr Schnoor, trotz Ihrer früheren Bedenken die falsche Konsequenz aus dem Geschehen ziehen. Wie auch Sie richtig erkannt haben, liegen die Ursachen der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Türken nicht in der BRD, sondern in der Türkei.
Wozu also dann das Verbot der PKK und von 35 weiteren Vereinen? Finden Sie es nicht ungeschickt, auf diese Weise zu verdeutlichen, daß in Deutschland jede Art von Gewalt als politisches Mittel auf das schärfste verurteilt wird? Traurig ist, daß diese Regel nur einseitig Gültigkeit besitzt, denn die Gewalt, die seitens der türkischen Regierung seit Jahren an dem in Ostanatolien lebenden Volk ausgeübt wird, bleibt folgenlos.
Enttäuschend ist, daß Ihre plötzliche Zustimmung zum Verbot der PKK einmal mehr beweist, daß auch die SPD schon lange keine Oppositionsfunktion mehr innehat, was auch in der Änderung des Art. 16 GG zum Ausdruck gekommen ist. Gerade jetzt, wo die SPD hätte verdeutlichen können, daß sie keine Marionettenfigur ist, sondern feste Standpunkte und klare Linien vertritt, hat sie mal wieder das Gegenteil bewiesen. Denn die europaweiten Anschläge auf türkische Einrichtungen hätten auch zum Anlaß genommen werden können, die türkische Regierung unter Druck zu setzen bzw. erneut die Durchsetzung und Einhaltung der Menschenrechte in der Türkei zu fordern und dies, wenn nötig, auch mit Sanktionen durchzusetzen. Womöglich würde hier sogar die Unterbindung weiterer finanzieller und militärischer Mittel ausreichen. Aus Ihrer Entscheidung ist ersichtlich, daß die türkische Regierung, gleichgültig welche Ausmaße ihre repressive „Kurdenpolitik“ annehmen mag, nichts seitens ihres Nato-Verbündeten BRD zu befürchten hat.
Oder stand Ihre, an den demokratischen Prinzipien orientierte, Entscheidung doch unter Einfluß wirtschaftspolitischer Interessen? Z.A., Saarbrücken
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