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„Neue Ideen statt alter Zöpfe?“

Dienstag abend stand die Koalition zwischen Hamburgs Sozialdemokraten und der Statt Partei / Von den forschen Sprüchen der Protestler um Markus Wegner blieb wenig übrig  ■ Aus Hamburg Sannah Koch

Drei Monate nach ihrer Gründung zog sie ins Parlament, nach dreiwöchiger Verhandlung jetzt auch auf die Hamburger Regierungsbank: Die Wählervereinigung Statt Partei schloß am Dienstag abend mit der SPD einen Kooperationsvertrag für die nächsten vier Jahre ab.

„Neue Ideen statt alter Zöpfe“ hatte die bürgerliche Protestpartei unter Gründervater und Ex-CDU- Rebell Markus Wegner noch im Wahlkampf gefordert und sich für Transparenz und freie Abstimmungen in der Bürgerschaft stark gemacht. Auch einen herkömmlichen Koalitionsvertrag, so die Beteuerungen der Polit-NovizInnen, werde es mit ihnen nicht geben. Jetzt trägt das gemeinsame Kind zwar den Namen Kooperation, aber von den forschen Sprüchen der Statt Partei blieb nach den Verhandlungen mit Bürgermeister Henning Voscherau wenig über. Der Obertaktierer hatte es vielmehr geschafft, die Neulinge im Zeitraffertempo über den Verhandlungstisch zu ziehen.

Voscherau pur, so liest sich das Vertragswerk in weiten Teilen. So ließ die Wählervereinigung alle Eckpunkte des Bürgermeisters, die der als Stolpersteine für die Koalitionsgespräche mit den Grünen zusammengetragen hatte, ohne Widerworte passieren. Großprojekte wie der Bau der 4. Elbtunnelröhre, Elbvertiefung und Hafenerweiterung, Energie- und Müllpolitik: graue Einsprengsel? Fehlanzeige!

Am letzten Verhandlungstag kam es dann doch noch zu Kontroversen: Eine Einigung über Hafenstraße und die Ernennung oder Wahl der Bezirksamtsleiter schien sich schwierig zu gestalteten. Während die Delegationen die restlichen strittigen Punkte abarbeiteten, versuchten sich Voscherau und Wegner unter vier Augen über diese beiden Punkte zu einigen.

Und auch hier ging der Bürgermeister als Sieger aus dem Rennen: Der Streitpunkt Bezirksamtsleiter wurde schlicht ausgeklammert, und bei der Hafenstraße setzte Voscherau sich mit seinem Vorschlag einer Abstimmung ohne Fraktionszwang in der Bürgerschaft durch. Einzige Anmerkung der Wählervereinigung: „Abgeordnete der Statt Partei werden der Räumung jedenfalls so lange nicht zustimmen, bis weitere in Betracht kommende Lösungsversuche zur Vermeidung einer etwaigen Eskalation erfolglos geblieben sind.“ Doch auch bei einer Verweigerung des Kooperationspartners, so Voscheraus Kalkül, wird es im Parlament die Große Koalition schon richten. Selbst in der Frage des Fraktionszwangs knickte Wegner ein. Zwar meinte er, den werde es bei ihnen nicht geben – wohl aber eine „tragfähige Fraktionsdisziplin“. Im Vertrag liest sich das so: „Die Kooperationspartner sind sich einig, dem Senat durch verläßliche Mehrheitsverhältnisse die Handlungsfähigkeit zu sichern. Die Fraktionen werden nicht mit wechselnden Mehrheiten abstimmen.“

Welche SPD-SenatorInnen sich in dem um zwei auf zwölf reduzierten Senat wiederfinden werden, und welche unabhängigen Fachleute die Statt Partei für die Ressorts Wirtschaft und Justiz benennt, wird erst heute abend entschieden.

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