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„Pflege des Deutschtums“ unter der Lupe

■ Der „Verein für das Deutschtum im Ausland“ betreibt völkische Politik und wird mit Millionen aus dem Bundeshaushalt unterstützt

„Es macht keinen Sinn, Deutschtum in aller Herren Länder zu pflegen und daheim gleichzeitig die eigene Identität in einem Kulturliberalismus ersten Ranges zu verspielen.“ Statement eines militanten Neonazis? Eines jener Universitätsprofessoren, die rassistische Pamphlete unterzeichnen und in Talkshows gegen die Vermischung der „Rassen“ zu Felde ziehen? Mitnichten. Das Zitat stammt aus der November-Ausgabe 1989 der Zeitschrift Globus, dem verbandseigenen Periodikum des „Vereins für das Deutschtum im Ausland“ (VDA). Geschrieben hat es auch nicht irgendwer, sondern es ist Teil der offiziellen Stellungnahme des VDA-Bayern zu Fragen der Aussiedler. Und der VDA ist auch nicht irgendein Verein: Im Auftrag Bonns managt der Verband im großen Stil Hilfsprojekte für die sogenannten Rußlanddeutschen.

Der Berliner Verein „Lupe“ hat, unterstützt von „Buntstift“, der Föderation der Grünen-nahen Landesstiftungen, den Verein unter die Lupe genommen, der sich der Pflege des Deutschtums im Ausland verschrieben hat und dazu Millionenbeträge vom Bundesinnenministerium kassiert. Das 196seitige „Organisationsprofil“ ist ein Who's who? des renommierten Vereins, in dessen Verwaltungsrat immerhin der Parlamentarische Staatssekretär beim Innenministerium, Horst Waffenschmidt, bis vor kurzem noch saß. Es ist ein Abriß der mehr als 100jährigen Geschichte des Vereins, über ausgewählte Mitglieder und deren Kontakte bis hinein ins revanchistische und rechtsxtremistische Lager.

Von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß 1939 offiziell mit der „Volkstumsarbeit jenseits der Grenzen“ betraut, wurde der 1881 gegründete Verein vom Alliierten Kontrollrat im Oktober 1945 verboten. 1955 neu gegründet, dümpelte der VDA mit Hilfe von geringen Bundeszuschüssen lange Jahre dahin. Erst 1989 kam der große Durchbruch. Es galt, die befürchteten Aussiedlerströme zu begrenzen durch großzügige Zuschüsse und Hilfsprojekte für die sogenannten Auslandsdeutschen in Osteuropa. Der ein Jahr zuvor von der Bundesregierung zum Beauftragten für Aussiedler ernannte Waffenschmidt betraute den VDA mit der Durchführung von Projekten für die Deutschen in der ehemaligen Sowjetunion. 1990 und 1991 flossen satte 110 Millionen Mark auf die VDA-Konten. Daß sie beim Empfänger nicht immer ankamen, sorgte nicht nur bei den Rußlanddeutschen für Empörung, sondern beschäftigt inzwischen auch die Staatsanwaltschaft.

Lupe interessiert sich im Organisationsprofil weniger für die Details dieser Millionendeals, sondern eher dafür, daß sich der VDA in all seinen Publikationen auf die „über 100jährige Tradition“ beruft und „ungebrochen weiter Volkstumspolitik und Deutschtümelei“ betreibt. Bei der Suche nach den Hauptprotagonisten des völkischen Vereins wurde Lupe nicht nur bei Unions- und SPD-Parlamentariern fündig. VDA-Spitzenfunktionäre referieren bei den rechtsextremistischen Vereinen wie „Gesellschaft für freie Publizistik“ oder „Hilfskomitee Südliches Afrika“, sie schreiben für einschlägig bekannte Zeitschriften wie Mut, Criticon, Nation Europa oder die nationalrevolutionäre wir selbst, sie tummeln sich bei der „Paneuropa-Union“, dem „Witiko-Bund“ oder der „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS“ (Hiag).

Aus einer Fülle von vereinsinternen Quellen und anderen Presseveröffentlichungen hat Lupe eine Materialsammlung über den VDA erstellt. Die Lupe-Autoren hoffen, mit dem Organisationsprofil dazu beizutragen, „daß der VDA seine Arbeit nicht weiter so ungestört wie bisher fortsetzen kann“. Daß, wie zuletzt immer mehr Soziologen, Kriminologen, aber auch Politiker behaupten, der Rassismus und Rechtsextremismus aus der Mitte der Gesellschaft komme, wird an der Datensammlung des Lupe e. V. am Beispiel des VDA deutlich. Gerade diese vielzitierte „Mitte der Gesellschaft“ unter die Lupe zu nehmen, hat sich die Berliner Recherchecrew zur Aufgabe gemacht.

Mit den Profilen über die „Internationale Gesellschaft für Menschenrechte“, die Moon-Sekte und jetzt den VDA liegen bereits drei Schriften vor. Weitere Profile über das „Studienzentrum Weikersheim“ und die „Paneuropa- Union“ sind in Vorbereitung. Das Material hätte es verdient, einer breiteren Leserschaft zugänglich gemacht zu werden. Eine bessere Aufbereitung in Form eines kompakten Sachbuchs wäre daher dringend geboten. Bernd Siegler

Lupe e.V./Buntstift e.V.: „Verein für das Deutschtum im Ausland“. Berlin 1993, 198 Seiten, 20 DM. Zu beziehen über Lupe e.V., Postfach 360123, 10971 Berlin

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