: Frauen müssen immer dazwischenquasseln Von Ralf Sotscheck
Das irische Volk hat einen Premierminister, den es wahrlich nicht verdient: Albert Reynolds ist strikter Abstinenzler, redet aber dennoch ständig mit schwerer Zunge. Von der Wortgewandtheit, die man den Iren und Irinnen im allgemeinen nachsagt, findet sich bei ihm keine Spur. Selbst bei recht einfachen Sätzen schafft er es mitunter, Verwirrung zu stiften. Vor zwei Wochen überraschte er das Parlament mit dem Schwur, alles in seiner Macht Stehende für die Beendigung jeglichen Friedens in Nordirland zu unternehmen. Und einem Journalisten versicherte Reynolds bei einem Interview, daß er jedes Produkt persönlich koste, bevor es seine Fabrik verlasse. Reynolds ist Fabrikant von Hunde- und Katzenfutter.
Am vergangenen Donnerstag gelang es ihm mit einer einzigen Bemerkung, eine Routinesitzung des Parlaments in ein heilloses Chaos zu stürzen. Nachdem ihn die Oppositionspolitikerin Avril Doyle während der parlamentarischen Fragestunde mehrmals unterbrochen hatte, weil er ihrer Frage ausgewichen war, verlor der Tierfutterverkoster die Nerven: „So sind die Frauen eben“, schnauzte er die Abgeordnete an. „Sie können nicht mal jemandem zuhören, der ihnen Informationen geben will.“ Im Handumdrehen hatte er jeglichen Frieden im Parlament beendet. Die Politikerinnen der Oppositionsparteien sprangen auf und fielen – leider nur verbal – über den Premierminister her, während die Frauen von den Regierungsparteien langsam von ihren Stühlen rutschten und in Richtung Ausgang robbten. Reynolds ließ sich jedoch nicht beirren: „Ihr könnt es drehen und wenden, wie ihr wollt“, goß er Öl ins Feuer. „Das ist die Realität.“ Auch der Parlamentsvorsitzende, Reynolds' Parteifreund Sean Treacy, konnte die Situation nun nicht mehr retten. „Das ist doch alles völlig unnötig“, stöhnte er und brach die Fragestunde ab. Die 35 Schulmädchen auf den Besuchsrängen, die zum ersten Mal mit irischer Politik hautnah in Berührung gekommen waren, gingen staunend nach Hause.
Kein Wunder, daß die Nation am Fernsehschirm jedesmal zusammenzuckt, wenn Reynolds den Mund aufmacht. Einen Freund hat er jedoch: seinen britischen Amtskollegen John Major, der sich immer wieder gerne mit ihm in der Öffentlichkeit zeigt. Reynolds ist nämlich der einzige Politiker der Welt, neben dem Major halbwegs interessant erscheint. Für alle anderen wäre es jedoch besser gewesen, wenn Reynolds Country-Sänger und Tanzhallenbesitzer geblieben wäre. Doch es drängte ihn in die Politik und ins Big Business. Seine erste Geschäftsidee schlug freilich fehl: Er wollte Lachse von der irischen Westküste nach Dublin einfliegen.
Aber Fische können nicht fliegen, und ehemalige Tanzhallenbesitzer taugen nicht zu Politikern. Das Unsägliche an Reynolds ist, daß er tatsächlich nicht die leiseste Ahnung hat, was an seiner Bemerkung falsch gewesen sein soll. „Ich habe niemals Frauen beleidigt“, beharrte er noch am Abend. „Ich habe lediglich auf die Anzahl von Frauen hingewiesen, die sich bei zahlreichen Gelegenheiten ungebührlich benommen haben, während ich versucht habe, Fragen zu beantworten.“ So sind die Schlampen nun mal: Immer müssen sie dazwischenquasseln, wenn Männer wichtige Dinge besprechen.
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