: In friedlicher Eintracht
Der 1. FC Kaiserslautern und die Eintracht Frankfurt trennen sich zum 14. Mal 1:1 und verweigern kollektiv die Tabellenführung ■ Von Günter Rohrbacher-List
Kaiserslauterns ehemaligem Weltklasse-Torhüter kamen die Farben der Frankfurter Eintracht sehr vertraut vor. Ronnie Hellström, Lauterer Idol von 1974 bis 1984 und heute unter anderem Kommentator für das schwedische Fernsehen (das direkt übertrug), liebt Gelb-Blau abgöttisch, wenn es nicht gerade in Gestalt der Frankfurter Eintracht daherkommt. Der Torwarttrainer des schwedischen Drei-Kronen- Teams schwärmt noch heute vom Betzenberg: „Jedesmal, wenn ich zur Westkurve ging, kam ein vieltausendfaches ,Ronniiiee‘, so etwas ist unvergeßlich.“
Unvergessen war vor dem Derby der beiden Bundesliga- Grufties auch, daß beide Mannschaften in 61 Spielen gleich dreizehn Mal 1:1 gespielt hatten, weil es doch so schön ist, wenn sich Pfälzer und Hessen in friedlicher Eintracht (!) die Punkte teilen. Doch ganze Heerscharen von Experten und Besserwissern setzten gegen alle Vernunft auf Sieg für Rot oder Gelb-Blau. Und waren dann hinterher mit der mageren Punktausbeute auch noch zufrieden. Wie Klaus Toppmöller: „Wir sind hier angereist, um zwei Punkte mitzunehmen.“ Oder Friedel Rausch angesichts der Ausfälle von Gerry Ehrmann, Jan Eriksson und Ciriaco Sforza: „Da müssen wir jetzt durch. Wir müssen gewinnen.“
Nur einer deutete den Sieger klar heraus. Hessens oberster Hobby-Kicker Joschka Fischer diktierte der taz ungeniert vermeintlich Banales in den Block. „Eintracht Frankfurt hat einen Punkt gewonnen, Kaiserslautern etwas verloren.“ Ein Glücksfall auch für den, der Hessens Umweltminister vergangene Woche im Fernsehen schon mal vorsorglich umgarnte („Mit dir könnte ich mir das ja vorstellen, aber mit den Grünen...“). Rudolf Scharping, FCK- Landesvater und Duzfreund seines SPD-Genossen Klaus Toppmöller war die Erleichterung über das Ausbleiben eines eindeutigen Siegers deutlich anzumerken.
Vor 37.711 Zuschauern im ausverkauften Fritz-Walter-Stadion begann das Fußballfest so ganz nach dem Geschmack des Hauses. Eine Hereingabe von Marco Haber, dem Mirko Dickhaut nicht entschlossen genug entgegentrat, verwandelte der endlich einmal nicht verhinderte Nationalmannschafts-Aspirant Stefan Kuntz, der heute das Flugzeug in die USA besteigen wird, in Rücklage zum 1:0. Doch nach diesem „spektakulären Tor“ (FCK-Trainer Friedel Rausch) versäumten es die Roten, wie gegen den HSV und den 1. FC Köln Tore nachzulegen. Trainer Klaus Toppmöller sah reichlich nachdenklich drein ob des frühen Rückstandes und der permanent aufpeitschenden Kulisse.
Der Eintracht gelangen in der Folge immer wieder gefährliche Warnschüsse in Richtung des FCK-Debütanten Claus Reitmaier. Der prompt hinter sich greifen mußte, als ihn Manfred Binz in der 19. Minute mit einem wunderbar angeschnittenen Freistoß zum 1:1 unangenehm überraschte. Die Lauterer Westkurve reagierte, erinnerte sich ob des agilen Maurizio Gaudino dessen Vergangenheit und skandierte mangels Gelegenheiten, die „Roten Teufel“ während ihrer Verschnaufpause zu unterstützen, das ewig junge „Nie mehr SV Waldhof, nie mehr“. Und fast hätte es auch geholfen, doch Oldie Uli Stein fischte in der 38. Minute einen Kopfball von Kuntz aus der rechten Torecke.
Ein Super-Klasse-Fußballspiel hätte es werden können, trotz pausenlosem Regen, ein Klasse-Spiel war's allemal. Bei Frankfurt fehlten weiter Ralf Weber und Anthony Yeboah, bei Kaiserslautern vermißte man die genialen Kniffe des Schweizer Nationalspielers Ciriaco Sforza sowie die bei seinem Fehlen evident gewordenen Stärken des Schweden Jan Eriksson. Als Dauerläufer Michael Lusch wegen einer Oberschenkelverhärtung ausgewechselt werden mußte, fehlte dem FCK der Ballschlepper auf der rechten Seite, Frankfurt wurde immer stärker. „Wir haben bei Deportivo La Coruña die Wende eingeleitet“, konstatierte ein aller Anspannungen lediger Klaus Toppmöller, der fortan den Favoritenkreis für die Meisterschaft um acht Teams auf neun Mannschaften erweiterte.
Beide, der 1. FCK und die Eintracht, hätten mit einem Sieg gleich welcher Höhe Tabellenführer werden können, doch sie blufften Leverkusens „Stepi“, der sich nun trotz des wenig erbaulichen 1:1 gegen Wattenscheid 09 an der Tabellenspitze in Sicherheit fühlen soll. Obwohl FCK-Präsident Norbert Thines „nicht so ganz glücklich“ war, gab es doch auf Lauterer Seite einen großen Tagessieger: Stefan Kuntz. Er blieb ohne Blessuren, schoß sein 15. Saisontor und will fortan „nie mehr Bus fahren“. So leuchtet es am Betzenberg auch abseits der Adventszeit weiterhin hell. Friedel Rausch: „Solange ich hier bin, gehen hier die Lampen nicht aus!“
1. FC Kaiserlautern: Reitmaier - Kadlec - Schäfer, Roos, Lusch (38. Hengen), Haber, Ritter, Brehme, Wagner - Fuchs (66. Dittgen), Kuntz
Eintracht Frankfurt: Stein - Binz - Zchadadse, Roth - Bindewald, Gaudino, Dickhaut, Falkenmayer, Bein (84. Okocha), Komljenovic - Furtok (69. Andersen)
Zuschauer: 37.711 (ausverkauft); Tore: 1:0 Kuntz (2.), 1:1 Binz (18.)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen