■ Press-Schlag
: Wir über uns

Befragen wir das Klischee: Wie stellt man sich den durchschnittlichen Sportschreiberling vor? Tja ..., sicher ist er männlich, wohl in den besten Jahren (oder drüber weg), die wohlgerundete Wampe belegt die Fachgespräche an der Theke. Wahrscheinlich ist er nicht sonderlich gebildet, denn er kann den Ball auch ins oder übers Netz fliegen sehen, ohne von Goethe umweht oder von Marx enttäuscht zu sein.

Wegen seines limitierten Horizonts hat der Mann einen natürlich quälenden Minderwertigkeitskomplex: Echte Journalisten können sich anständig wegen Intrigen in der Politik, Sinnkrisen in der Kunst oder des Elends der Welt betrinken; er aber nur, weil sein Lieblingsverein gerade den internationalen Wettbewerb verpaßt hat und von Dienstreisen ins Ausland auf Jahre nicht mehr die Rede sein wird. Führwahr, der Sportschreiber ist ein armer Wichtelmann. Oder?

Natürlich ist alles halb so schlimm, das aber auch nur, weil es vor zwanzig Jahren ziemlich zutreffend war. In den sozial und politisch vergleichsweise ambitionierten siebziger Jahren hatten die drögen Berichterstatter von Toren, Punkten, Meisterschaft den Status der minderbemittelten Außenseiter der Medienbranche. Sie wußten es selbst (in Studien belegt), und alle anderen wußten es sowieso (siehe oben).

Wer journalistischen Ehrgeiz hatte, der träumte vom Aufstieg in ein seriöses Ressort, irgendwohin, wo er wichtige Informationen recherchieren, brillante Texte formulieren können würde, wo eben alles Bedeutung hätte. Mit anderen Worten: Sportjournalisten hatten das Selbstwertgefühl eines Schlagersängers, der meint, Gesang sei nur, was Pavarotti produziert.

Die Zeiten haben sich gewandelt, die Geschmäcker mit ihnen. Längst darf sich selbst ein feinsinniger Konsument dazu bekennen, lustvoll auch mal an leichter Unterhaltungskost zu naschen. Damit ist auch das hedonistische Vergnügen am Sportkonsum kein Tabu mehr. Und so schlägt endlich, endlich die große Stunde des Sportressorts, denn nichts ist so geeignet für Emotionserzeugung wie das Siegen oder Untergehen in der Kunstwelt Sport. Beschleunigt durch den Siegeszug des Privatfernsehens, darf sich heute auch der Sportjournalist facettenreich austoben: reportieren, karikieren, glossieren, porträtieren, kommentieren und und und. Hauptsache, er achtet das Zauberwort der Zunft: Infotainment.

Ihr Bedeutungsaufstieg ist nach langer Zeit der Scham ein erhebendes Gefühl für die sportiven Macher und Mediatoren in den Zeitungs-, Hörfunk- und Fernsehredaktionen. Sie genießen es sehr. In einer gerade vorgestellten Umfrage der Sporthochschule in Köln bekennen 85 Prozent, daß sie ihren Einfluß auf die öffentliche Meinung für groß bis sehr groß halten. Zwei Drittel antworten auf die berufliche Existenzfrage („Würden Sie wieder wählen, was Sie sind“) mit glücklichem „Ja“. Und wahrscheinlich nur, um sich noch von Unterhaltung à la Gameshow, Gottschalk und Goldenes Blatt abzusetzen, beharren 83 Prozent darauf, eine Hauptaufgabe im „Mißstände kritisieren“ zu sehen. Zu viel Sozialengagement steckt freilich nicht dahinter, denn anders als noch vor zwanzig Jahren ist heute nur noch ein knappes Viertel auf dem Trip, „Ideale vermitteln“ zu wollen.

Bei so viel frischem Wind ist es fast beruhigend, daß die Zunft der Aufsteiger traditionsbewußt und unbeirrt von Trends und Moden immerhin an einem festhält: eine Bastion der Männer zu sein. Nur jeder 14. Sportjournalist ist eine Journalistin. Die arme bleibt empirisch vorerst ein unbekanntes Wesen. Weshalb man ihr weiterhin unterstellen darf, sie interessiere sich nur für Eiskunstlauf und Rhythmische Sportgymnastik. Katrin Weber-Klüver