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■ Cash und CrashDer Rubel trotzt Schirinowski

Moskau (taz) – Nach den Regeln des Börsianergewerbes wäre gestern an der Moskauer Valutabörse ein Kursrutsch des Rubels fällig gewesen. Zwar ist das Erstarken rechtsextremer Kräfte keinesfalls immer ein Grund gewesen, Geschäftsbeziehungen einschlafen zu lassen. Aber Rußland ist nicht Lateinamerika; und der neue private Handels- und Bankensektor, verdankt seine Existenz schließlich den Demokraten.

Dennoch sank Rußlands Währung gestern gegenüber Dollar und D-Mark jeweils um nur sechs Rubel auf 1.237 Rubel für den Dollar und 733 Rubel für eine Mark. Der Grund: Die russischen Bankiers versuchen, bis Jahresende einen möglichst großen Teil ihrer Bilanzsumme auf Dollar und Mark umzustellen. Denn ab Januar sollen nach einem Dekret Jelzins alle Geschäfte nur noch in Rubel abgewickelt werden dürfen – einer Währung, die sich wegen der hohen Inflation von 15 bis 20 Prozent im Monat zum Aufbewahren von Werten nur wenig eignet. Um also viele Devisen kaufen zu können, brauchen die Banken – der Gefahr Schirinowski zum Trotz – einen stabilen Kurs.

Im Unterschied zu den westlichen Börsen ist Moskaus Valuta- Handel eine fast familiäre Angelegenheit: 118,2 Millionen Dollar und 7,96 Millionen Mark wurden dort in einem großen Hinterzimmer des Eisenbahnministeriums, gestern gehandelt. Bereits die Spielregeln helfen, allzugroße Verschiebungen im Kursgefüge zu vermeiden: Vor Eröffnung der täglichen Sitzung haben alle Teilnehmer ihre Gebote zum Kurs des Vortages abgegeben, so daß der Handelsumfang von vorneherein feststeht. Ziel ist es nur noch, die Lücke zwischen den Geboten von Käufern und Verkäufern zu schließen. So gab es gestern Kaufwillige für 118,35 Millionen Dollar, aber nur Verkaufswillige für 102 Millionen Dollar. Ausreichend Verkäufer fanden sich erst, als der Kurs von 1.237 Rubel ausgerufen wurde.

Als großer Kursstabilisator tritt nach Meinung des Maklers Chorkin zusätzlich die russische Zentralbank auf. Wie viele Dollar sie zum Wochenbeginn an der Börse, die von 32 kommerziellen Banken als Aktiengesellschaft betrieben wird, eingesetzt hat, sei „ein Geheimnis“. Ein Rätsel ist Beobachtern auch seit längerem die Stabilität des Rubels gegenüber den Westwährungen, denn im Inland sinkt die Rubel-Kaufkraft stetig. Donata Riedel

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