: Rechtsradikale auf der Agenda von Wien und Bonn
■ Österreichs Bundespräsident warnt vor Überbewertung / Neue Festnahmen in Österreich / BKA kennt deutsch-österreichische rechtsradikale Vernetzung
Berlin (AFP/dpa/taz) – Mehr als zehn Jahre lang war der „Herr Bundespräsident“ in Bonn unerwünscht. Der Grund: die Nazi- Vergangenheit von Kurt Waldheim. Nun steht mit dem 61jährigen Thomas Klestil ein neuer, unverbrauchter Mann an der Spitze Österreichs. Doch kaum macht der seinen Antrittsbesuch in Deutschland, steht wieder das Thema „Rechtsradikalismus“ auf der Tagesordnung. Gestern, am zweiten Tag von Klestils Besuch, nahm die österreichische Polizei zwei weitere Personen wegen der Briefbombenattentate in Wien fest. Während die Polizei von einer „heißen Spur“ zu den Attentätern sprach, warnte Innenminister Franz Löschnak in Wien, bisher sei „nur ein Rad“ einer vermutlich größeren politischen Maschine gefunden worden. Gleichzeitig ließ das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden Informationen über eine Vernetzung deutscher und österreichischer Rechtsradikaler durchsickern.
Nach den Informationen der deutschen Fahnder soll sich bereits Anfang Oktober in der hessischen Kleinstadt Langen eine „Nationale Initiative Freiheit für Gottfried Küssel“ mit Österreichern und Deutschen gegründet haben. Der Österreicher Küssel ist Anführer der seit 1986 bestehenden „Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition“, die als Zentrum des militanten Rechtsextremismus in Österreich gilt. Er war im September in Wien wegen „Wiederbetätigung im Sinne des Nationalsozialismus“ zu zehn Jahren Haft verurteilt worden.
Die Initiative will, laut eigenem Flugblatt, auf das „Terrorurteil“ gegen Küssel aufmerksam machen. Sie beschwört den Zusammenhalt aller „nationalen Kämpfer“ gegen die „herrschenden Verfolgungen“. Als Gründer von „Freiheit für Gottfried Küssel“ gelten ein 21jähriger Mainzer Neonazi sowie der frühere Vorsitzende der im Dezember 1992 verbotenen „Deutschen Alternative“ (DA), der Cottbusser Frank Hübner. Der 21jährige war am vergangenen Donnerstag im Zusammenhang mit Ermittlungen der Bundesanwaltschaft wegen der Neonazi- Terrorbroschüre Der Einblick festgenommen worden. Am Wochenende wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt, weil laut Bundesanwaltschaft kein dringender Tatverdacht gegen ihn vorlag.
Klestils Deutschland-Besuch sollte wieder Routine in das bilaterale Verhältnis bringen. Gestern warnte er davor, die Briefbombenanschläge als ein Zeichen für ein Wiedererstarken des Rechtsradikalismus zu werten. Weder in Deutschland noch in Österreich gebe es eine Entwicklung, „die uns zum Hort des Rechtsradikalismus macht“. dora
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen