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Wenn Minenräumer Minen legen

■ Somaliland-Minenräumung kritisiert

Berlin (taz) – Die britischen Hilfsorganisationen „Mines Advisory Group“ (MAG) und „African Rights“ haben gestern scharfe Kritik an bisherigen Minenräumungsversuchen in Somalia geübt. In einem 82seitigen Bericht, betitelt „Violent Deeds Live On“, wird vor allem die Lage in der nordsomalischen „Republik Somaliland“, die sich 1991 einseitig unabhängig erklärte, analysiert, wo Ex-Diktator Siad Barre in den späten 80er Jahren im Kampf gegen die SNM- Guerilla zielstrebig ganze Landstriche hatte verminen lassen. „Landminen haben der Pastoral- und Ackerbauwirtschaft und dem Handel Somalilands vernichtende Schläge zugefügt und werden dies weiter tun“, heißt es. Die SNM, die inzwischen Somaliland regiert, sei aber nicht unschuldig an den unzureichenden Fortschritten seit Ende des Bürgerkrieges in der Region.

Kurz nach der Unabhängigkeitserklärung im Sommer 1991, so der Bericht, begannen 60 „Pioniere“ der SNM auf eigene Faust mit Minenräumung; fast die Hälfte von ihnen sei dabei innerhalb von sechs Monaten getötet oder verletzt worden. Auf Initiative der Hilfsorganisation „Médecins Sans Frontières“ nahm die Regierung dann die britische Firma „Rimfire International“ zwecks Training unter Vertrag. Die britischen Trainer seien, so der Bericht, zumeist unerfahrener gewesen als die somalischen „Pioniere“ und es habe Kompetenzstreitereien gegeben, da die „Pioniere“ zwar von Rimfire mit internationalen Hilfsgeldern bezahlt wurden, aber dem Verteidigungsministerium von Somaliland unterstellt waren.

Zwar seien vor allem um die Hauptstadt Hargeisa viele Gegenden inzwischen minenfrei, doch habe die Regierung Somalilands eine Effektivierung der Aktion behindert. Der Entminungsverantwortliche Abdullahi Bihi Odey habe Mitglieder seines eigenen Clans bei der Einstellung bevorzugt. „Es gibt eindeutige Indizien, daß Mitglieder des Pionierkorps selber Minen gelegt haben“, heißt es weiter. Bei einem Besuch in Bihis Privathaus Ende 1991 hätten MAG-Mitarbeiter „Hunderte“ gelagerte Landminen gesehen. Diese seien später beim Kampf gegen Oppositionelle in Burao und Berbera eingesetzt worden.

Anfang 1994 soll die bisher nicht in Somaliland tätige UNO die Minenräumung von Rimfire übernehmen. Aber auch die UNO wird in dem Bericht kritisiert: Die Blauhelmtruppen in Süd-Somalia würden Minen nur zur eigenen Sicherheit räumen. Ironisch sei, daß mit Ausnahme Rußlands ausgerechnet die Staaten, aus denen die meisten Minen in Somalia kommen – Pakistan, die USA, Belgien und Ägypten – zu den eifrigsten Truppenentsendern gehören. D. J.

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