Pflege in Eigenregie wird erschwert

■ Nach der geplanten Pflegeversicherung können Pflegebedürftige ihre Betreuer nicht mehr als Arbeitnehmer beschäftigen / Bundesrat stimmt heute ab

Berlin (taz) – Karla S. ist auf ambulante Dienste schlecht zu sprechen. Ein halbes Jahr lang mußte die an multipler Sklerose Erkrankte nach einem Krankenhausaufenthalt einen Pflegedienst in Anspruch nehmen. „In einem halben Jahr haben die mir zehn Leute geschickt“, beschwert sich die 55jährige. „Jedes Mal mußte ich wieder neu erklären, wo der Besen steht oder wo die Wäsche liegt.“ Die „Unruhe“, die durch die wechselnden Betreuer entstanden sei, habe auch ihrer Gesundheit geschadet. „Ich war jedes Mal erledigt, wenn die wieder weg waren.“ Und wer läßt sich schon gern von häufig wechselnden, wildfremden Personen den Rücken waschen?

Mit ihren selbst organisierten Pflegekräften ist die Alleinstehende dagegen „sehr zufrieden“. Gefunden hat sie sie meist über Bekannte oder auch mal durch eine Anzeige. 400 Mark erhält sie monatlich von der Krankenkasse. Davon bezahlt sie derzeit eine 19jährige Schülerin, die ihr fünf bis sechs Stunden in der Woche vor allem im Haushalt hilft. Mit der Einführung der Pflegeversicherung erhält sie den gleichen Betrag als „Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen“. Künftig wird ihr allerdings alle drei Monate eine Fachpflegekraft einen „Kontrollbesuch“ abstatten, um die Qualität der Pflege zu überprüfen.

Für den kleinen Kreis von etwa 5.000 Pflegebedürftigen, die bisher ihre Pflegekräfte selbst angestellt haben, ändert sich dagegen Entscheidendes. Denn das „Arbeitgebermodell“ wird mit Einführung der Pflegeversicherung abgeschafft. 800.000 Pflegestunden pro Jahr haben Pflegebedürftige bisher in Eigenregie organisiert, so die Angaben der „Initiative Selbstbestimmt Leben“ (ISL). Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Pflege kann auf die individuellen Bedürfnisse des Pflegebedürftigen abgestimmt werden. Sie ist außerdem billiger, weil, anders als bei den ambulanten Diensten, keine Verwaltungskosten entstehen. Uwe Frehse von der ISL beschäftigt selbst eine sozialversicherungspflichtige Pflegekraft und zwei Aushilfen auf Honorarbasis. Bezahlt werden sie nach dem Tariflohn für ungelernte Krankenpflegekräfte. Neben dem Bruttostundenlohn von 17 Mark übernimmt das Sozialamt noch den Arbeitgeberanteil für die Sozialabgaben und die Umlage für die Lohnfortzahlung bei Krankheit und Schwangerschaft. Insgesamt betragen die Lohnkosten damit 20 Mark die Stunde und liegen in der Regel immer noch unter den Sätzen, die ambulante Dienste berechnen.

Künftig muß die bisher privat beschäftigte Pflegekraft bei der Pflegekasse einen Antrag auf Zulassung stellen und direkt mit der Kasse einen Vertrag über Inhalt und Umfang der Pflege abschließen. Zugelassen wird, wer „geeignet“ ist. Wie das in der Praxis gehandhabt wird, ist allerdings noch unklar. Die Kasse zahlt dann die Sachleistung, die erheblich höher ist als das Pflegegeld und sonst von einem ambulanten Dienst erbracht würde.

„Die Abschaffung des Arbeitgebermodells ist eine massive Verschlechterung, was unsere Selbstbestimmung betrifft“, kritisiert Uwe Frehse die Neuregelung. „Wenn ich nicht mehr Arbeitgeber bin, kann ich auch nicht mehr darüber bestimmen, wie die Pflege aussieht“, befürchtet er. Tatsache ist, „daß bestehende Betriebe aufgelöst werden müssen“. Die Pflegekräfte müßten sich künftig entweder bei einer Sozialstation anstellen lassen oder sich selbständig machen. Meist sind die angelernten Kräfte StudentInnen, KünstlerInnen oder Frauen mit Kindern, die sich nebenberuflich etwas dazuverdienen. Eine ISL-Umfrage hat ergeben, daß die Mehrheit von ihnen nicht bereit wäre, bei ambulanten Diensten zu arbeiten und auch kein Interesse hat, sich als Pflegekraft selbständig zu machen.

Auf das Pflegegeld zurückzugreifen, ist für Uwe Frehse keine Alternative. Da er in der Pflegestufe II dann statt maximal 1.500 Mark nur maximal 800 Mark bekäme, würde dies für seinen Pflegebedarf nicht ausreichen. Fazit: Wer bisher Arbeitgeber war, ist künftig womöglich wieder auf einen ambulanten Dienst angewiesen.

Dorothee Winden