: Nazi-Prozeß begann
■ Ex-Leutnant soll 15 Italiener ermordet haben / Streit um Verjährung
Koblenz (AP/dpa/taz) – Vor dem Landgericht Koblenz hat gestern der Prozeß gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Wolfgang Lehnigk-Emden begonnen. Staatsanwalt Peter Schmickler warf dem 71jährigen vor, als Leutnant der Wehrmacht „grausam und aus niedrigen Beweggründen“ 1943 15 italienische Zivilisten umgebracht zu haben.
Der Angeklagte lehnte jede Aussage zum Tatvorwurf ab. Zu seinem Lebenslauf befragt, gab der 71jährige an, er sei 1940 als Offiziersanwärter in die Wehrmacht eingetreten. Nach Teilnahme am Rußlandfeldzug sei er im Mai 1943 nach Italien versetzt worden. Nach Kriegsgefangenschaft bis 1946 habe er sich in Ochtendung (Kreis Mayen-Koblenz) eine Existenz als Architekt aufgebaut. Der geachtete Bürger nennt u.a. eine von Helmut Kohl verliehene „Ehrennadel des Landes Rheinland- Pfalz“ sein eigen.
Nach den Worten des Staatsanwalts hatte Lehnigks Kompanie am Abend des 13. 10. 1943 bei Caiazzo einen Gefechtsstand eingerichtet. Am Abend hätten die Soldaten aus einem benachbarten Gehöft Blinkzeichen gesehen, die man für Signale an die Alliierten gehalten habe. Lehnigk-Emden sei darauf mit zwei Soldaten zu dem Gehöft gegangen. Dort habe er sich als Brite ausgegeben und darum gebeten, ihnen die deutschen Stellungen zu zeigen.
Sieben Personen hätten sich dazu bereit erklärt, sagte Staatsanwalt Schmickler. Sie wurden später im deutschen Gefechtsstand erschossen. Anschließend sei Lehnigk-Emden mit zwei Soldaten zu dem Gehöft zurückgekehrt, in dem sich nun noch 15 Zivilisten befanden, darunter zehn Kinder sowie drei junge Frauen. Die Opfer seien mit Schußwaffen und Handgranaten niedergemacht worden.
Während die Staatsanwaltschaft die Tötung der vier Männer und drei Frauen am Gefechtsstand als inzwischen verjährtes Totschlagsdelikt einschätzt, sieht sie in der anschließenden Tötung der 15 Menschen Mord. Der Prozeß gegen den ehemaligen Feldwebel Kurt Schuster, der an der Tat ebenfalls beteiligt gewesen sein soll, ist vom Gericht abgetrennt worden. Schuster gilt als verhandlungsunfähig. Vermutlich wird die Frage der Verjährung im Mittelpunkt der Hauptverhandlung stehen. klh
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