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Wie gewonnen, so zerronnen ?

■ Trotz erfolgreicher Arbeit soll Modellprogramm St. Georg beendet werden / Initiativen und Drogenbeauftragter protestieren   Von Sannah Koch

Als „Sofortprogramm“ gegen das Drogenelend in St. Georg wurde es aus der Taufe gehoben. Doch einige Maßnahmen existieren ein Jahr später immer noch nur auf dem Papier. Und anderen soll bald schon wieder der Geldhahn zugedreht werden. Kritik gegen die Kürzungen kommt jetzt nicht nur aus St. Georg, sondern auch vom Drogenbeauftragten des Senats.

Einen unruhigen Herbst hatten die BewohnerInnen des Bahnhofsviertels im vergangenen Jahr Sozialsenator Ortwin Runde beschert. Angesichts der Drogenszene vor ihrer Haustür hatten sie in vielfältigen Protestaktionen die Einrichtung von Fixerräumen und eine verstärkte Suchtprävention in Schulen und Jugendeinrichtungen für ihr Viertel gefordert. Ihr lautstark vorgetragener Unmut zeigte schließlich Erfolg: Der Senat verabschiedete im November '92 ein Sofortprogramm im Umfang von mehreren Millionen Mark.

Doch ein Großteil der Summe liegt noch immer ungenutzt auf den Konten: So wurde von den drei geplanten Gesundheitszentren noch keins realisiert. Noch vor kurzem hatte es so ausgesehen, als könnte der Verein Freiraum mit dem Ausbau eines Gesundheitsraums im Schwarzenbergpark (Harburg-Heimfeld) beginnen. Nach langen Disputen hatte die Bezirksversammlung in Harburg zugestimmt, doch vor wenigen Tagen blockierte der Elternbeirat der benachbarten Schule das Projekt erneut durch eine Petition in der Bürgerschaft.

Auf der Kippe scheint auch das Modellprojekt St. Georg zu stehen. Dies war schon 1990 im „Landesprogramm Drogen“ vom Senat als neuartiger Versuch der Präventionsarbeit angekündigt worden. Mit einer Koordinationsstelle sollten „sinnvolle Formen der Kooperation der Schulen mit anderen Institutionen erprobt werden“. Ihre Arbeit als Koordinatorin konnte Gitta Barnikow aber erst im Oktober 1992 beginnen. „Nach dem ersten Jahr läuft die Arbeit jetzt so richtig an“, sagt sie.

Gemeinsam mit LehrerInnen aus St. Georg hat sie inzwischen zahlreiche Freizeitprojekte entwickelt. So können die SchülerInnen aus der Grundschule Norderstraße jetzt jeden Donnerstag nachmittag in der „Freizeitgrotte“ spielen – etwa 50 Kinder nehmen dieses Angebot im Werkraum der Schule regelmäßig wahr. Auch ein mit dem örtlichen Kulturladen durchgeführtes Videoprojekt und die Lehrerfortbildungen zur Suchtprävention, so Barnikow, werden sehr gut angenommen. Trotzdem soll ihr Arbeitsvertrag im Juli auslaufen.

„Die Schulbehörde hat für 1994 keine Mittel mehr für meine Arbeit vorgesehen“, so Gitta Barnikow. Und dies, obwohl dort bislang nicht einmal die Erfahrungen aus dem Modellprojekt ausgewertet werden konnten – der Zwischenbericht wird erst im Januar vorliegen. Die Einsparung scheint umso absurder, als just in St.Pauli ein ähnliches Modellprojekt angelaufen ist. Finanziert von der Schulbehörde, kommissarisch geleitet von Gitta Barnikow.

Für die Fortführung des Modellprojekts plädiert der Drogenbeauftragte des Senats, Horst Bossong. Die Arbeit habe sich bewährt, schrieb er am Donnerstag an die Schulbehörde, daher bitte er darum, „alles zu unternehmen, um die Kontinuität des Projektes zu sichern“. Man dürfe das große Engagement und die hohe Akzeptanz bei den BürgerInnen angesichts der Drogenproblematik nicht ignorieren.

Auch der Zusammenschluß „Soziale und pädagogische Initiativen“, kurz SopI, meldet Protest an: „Es entsteht der Eindruck, daß wichtige Projekte gekippt werden, wenn der politische Druck im Stadtteil nachläßt“, erklärten die 25 Initiativen aus St. Georg in einer ersten Stellungnahme. „Eine derartige Umgehensweise halten wir für bedenklich.“

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