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■ GastkommentarDie SPD ist gefordert

Straßenumbenennungen haben Hochkonjunktur in Berlin. So hat Verkehrssenator Haase eine Liste erarbeiten lassen, die auch Namen wie Clara Zetkin und Rosa Luxemburg enthält. Daß ein General Woyna – ein Schlächter aus dem Ersten Weltkrieg – nicht auf der Liste steht, sei nur am Rande erwähnt als Beweis dafür, in welche Richtung hier deutsche Geschichte bereinigt werden soll.

Nun kann man trefflich darüber streiten, ob angesichts von Massenarbeitslosigkeit und Wohnungsnot eine Große Koalition in dieser Stadt nicht andere Aufgaben zu bewältigen hätte. Trotzdem lohnt sich die Auseinandersetzung mit dem Thema, wenn man sich ansieht, wie seit 1945 mit Straßenbenennungen umgegangen wurde.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden in der gesamten Stadt Straßen umbenannt. Frauen und Männer des Widerstands – aus der Sozialdemokratie wie aus der kommunistischen und bürgerlichen Bewegung – wurden so gewürdigt. Diese Straßenumbenennungen fußten auf dem gesellschaftlichen Konsens, jene zu ehren, die dem Faschismus widerstanden und dafür ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatten. Es handelte sich dabei also keineswegs um einen einseitigen Willkürakt im Ostteil der Stadt, der nun rückgängig zu machen wäre. Es geht CDU-Haase nicht etwa um neuere geschichtliche Erkenntnisse, sondern um die „geistig-moralische Wende“. Die Ideale der Arbeiterbewegung stehen zur Disposition: individuelle Freiheiten, gesellschaftliche Emanzipation, soziale Gerechtigkeit, Solidarität. In der ökonomischen Krise sollen Ideen und Ideale ausgemerzt werden. Die SozialdemokratInnen sollten sich auf ihre Wurzeln besinnen, die in der Arbeiterbewegung liegen. Zu diesem Erbe gehören Rosa Luxemburg und Clara Zetkin ebenso wie Karl Marx und Friedrich Engels. Sie repräsentieren die Arbeiterbewegung. Sie müssen ihren Platz in der deutschen Geschichte und der Geschichte der Sozialdemokratie behalten, unabhängig davon, wie spätere Generationen mit ihren Ideen umgegangen sind.

Für die Berliner SPD bleibt die Aufforderung, mehr Mut zu entwickeln in der offensiven Auseinandersetzung mit ihrem geschichtlichen Erbe. Wir dürfen nicht zulassen, daß von denen, für die allenfalls ein toter Sozialdemokrat ein guter Sozialdemokrat ist, definiert wird, wer zur Tradition der Demokratie- und Arbeiterbewegung gehört. Das Jahr 1994, in dem sich die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zum 75. Mal jährt, ist hierfür ein besonders geeignetes Jahr. Nicht nur unsere Sozialdemokratie ist gefordert. Der Angriff auf unser geschichtliches Erbe ist auch ein Angriff auf die Gewerkschaften, auf die Frauen- und Friedensbewegung ebenso wie den Internationalismus. Herr Haase bietet die Chance der Formierung einer breiten Opposition gegen die „geistig-moralische Wende“. Monika Buttgereit

Die Autorin ist stellvertretende Landesvorsitzende der SPD.

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