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Karl und Rosa sollen vom Stadtplan verschwinden

■ Verkehrsverwaltung will 14 Straßen umbenennen / „Sozialistisches Erbe im weitesten Sinne“ wird überprüft

Von der Niederkirchnerstraße im Süden bis zur Dimitroffstraße im Norden durchforstet zur Zeit eine Expertenkommission die Straßenlandschaft in Berlins Mitte auf der Suche nach vermeintlich belasteten Straßennamen. Die Kommission wurde bereits im September von Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) eingesetzt, Mitte Januar soll sie ihre Ergebnisse präsentieren. Vierzehnmal wurde die Runde bei ihrer Suche fündig, ins Visier gerieten dabei nicht nur die Namen von kommunistischen Antifaschisten wie Käthe Niederkirchner oder Almstadt, sondern auch sozialdemokratische Urahnen wie August Bebel und Clara Zetkin.

Selbst Karl Marx, der über Jahrzehnte im Westberliner Bezirk Neukölln als Straßennamenspatron sein Dasein fristete, ist als Kennzeichnung der gleichnamigen Allee im Ostteil der Stadt nicht geduldet. Er soll ebenso aus dem Verzeichnis getilgt werden wie das KPD-Gründungsduo Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, der Polit-Kommissar des Thälmann- Bataillons im Spanischen Bürgerkrieg, Hans Beimler, und der Stadtkommandant der Roten Armee, Nikolai Bersarin. Auch die Habersaathstraße und die Max- Beer-Straße werden ab kommendem Jahr anders lauten, wenn den Empfehlungen der Kommission gefolgt werden sollte. Als Ersatz werden Persönlichkeiten wie der Erbauer der Neuen Wache, Karl Schinkel, und der preußische Ministerpräsident und SPD-Politiker Otto Braun gehandelt. Von seiten der FDP-Fraktion wurde jüngst Axel Cäsar Springer ins Spiel gebracht.

Wie der persönliche Referent des Verkehrssenators, Alexander Kaczmarek, erläuterte, stünden alle Straßen im Bereich Mitte, die Namen aus der DDR-Zeit haben, zur Disposition. Alles, was an Namen „sozialistisch im weitesten Sinne“ ist, wurde von der Kommission überprüft. Dem Gremium gehören Professor Arnulf Baring, die ehemaligen Landespolitiker Ella Barowsky, Kurt Exner und Ursula Besserer, der Domprediger Martin Beer, Wolfgang Matz vom bischöflichen Ordinariat, der Leiter des Deutschen Historischen Museums, Christoph Stölzl, sowie die Professoren der Humboldt-Universität, Heinrich August Winkler und Laurenz Dempf, an.

Der Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte, Volker Hobrack, hat die Runde mittlerweile verlassen. Nach seiner Ansicht ist die Straßenbenennung Aufgabe der Bezirke, und der Bezirk Mitte habe mit der dieser Tage erfolgten Umbenennung der Wilhelm- Pieck-Straße in Torstraße sein Soll erfüllt. Weiteren Umbenennungsbedarf sieht Hobrack nicht. Auch wendet er sich gegen das Ansinnen der Verkehrsverwaltung, ihre Vorschläge per Weisung durchzusetzen. Eine solche Befugnis wäre vom Gesetzgeber nur als Ausnahme vorgesehen, folglich dürfe man sie nicht zur Regel machen. Senator Haase hofft noch auf „den Sieg der Vernunft“. Doch sollten sich die Bezirke seine Vorschläge nicht zu eigen machen, so erläutert Kaczmarek die Geschäftsgrundlage, dann habe der Senator die Möglichkeit, „die Sache an sich zu ziehen“. Dieter Rulff

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