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Öffentlich gegen Neonazi-Listen

Verfolgtenorganisation will Betroffene zusammenführen, die auf der Neonazi-Liste „Einblick“ stehen / Appell an Behörden / Staatsschutz bietet betroffenen Personen Beratung an  ■ Von Severin Weiland

Organisationen und Einzelpersonen, die im Berliner Teil der von Neonazis herausgegebenen Broschüre Einblick erwähnt werden, sollen sich mit einer gemeinsamen Erklärung an die Öffentlichkeit wenden. Dazu ruft die „Berliner Vereinigung ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter und Hinterbliebener“ (BVVdN) auf. Ein erstes Treffen ist für den 19. Januar kommenden Jahres in den Räumen der Organisation vorgesehen. Wie der BVVdN-Vorsitzende Fred Löwenberg gegenüber der taz erklärte, wolle man an die staatlichen Behörden appellieren, die betroffenen Organisationen und Personen unter Schutz zu stellen, „soweit das möglich ist“.

Die der PDS nahestehende Organisation, die nach eigenen Angaben in der Hauptstadt rund 2.400 Mitglieder zählt, taucht in der Neonazi-Liste zwar nicht namentlich, aber unter Angabe der Adresse und Telefonnummer auf. Im selben Gebäude befindet sich mit der „Interessensgemeinschaft der Verfolgten des Naziregimes“ auch der Dachverband des BVVdN, unter deren Regie die Zeitschrift Antifa herausgegeben wird. Wie Löwenberg weiter ausführte, hoffe man auf die Teilnahme von bis zu 25 Organisationen und Einzelpersonen aus dem „gewaltfreien antifaschistischen Spektrum“.

Auf ein positives Echo stieß die Initiative bereits bei der Geschäftsführerin vom Verein „Aktives Museum Faschismus und Widerstand“, Christiane Hoss: „Das ist eine überlegenswerte Idee.“ Der Berliner Teil des Einblick – hinter dessen Postfachnummer im dänischen Randers sich der stellvertretende Vorsitzende der „Dänischen Nationalistischen Bewegung“, Henrik Asferg Kristensen, verbirgt, ist vergleichsweise schlampig recherchiert.

Während etwa für den nordwestdeutschen Raum detaillierte Angaben über Einzelpersonen zu finden sind, waren die Berliner Informanten der Broschüre offensichtlich nicht auf dem neuesten Stand der Dinge: Manche der aufgelisteten Anschriften und Telefonnummern sind veraltet. Löwenberg warnte jedoch davor, den Berliner Teil der Liste zu verharmlosen. Man gehe davon aus, daß die Verfasser der Broschüre „weit mehr Informationen in der Hand haben als bislang veröffentlicht wurden“. So gibt es laut Löwenberg allein für die Bezirke Hellersdorf und Marzahn eine von Rechtsextremisten erstellte „Beachtungsliste“ mit 23 Namen, darunter seien auch vier ehemalige Verfolgte des Naziregimes.

Vom polizeilichen Staatsschutz, in dessen Zuständigkeit politisch motivierte Delikte fallen, ist bislang keine offizielle Stellungnahme zur Broschüre zu erhalten. Man sei „nicht glücklich“, daß nun Teile der Liste in den Medien veröffentlicht werden, meinte ein Polizeisprecher gegenüber der taz. Damit werde die Gefährdung erhöht. Mittlerweile bietet der Staatsschutz betroffenen Personen und Organisationen auf Wunsch eine Beratung in „Sicherheitsfragen“ an, wie aus einem Schreiben an eine Ostberliner Institution hervorgeht. Zu den Adressaten gehörte auch ein ehemals besetztes Haus in Ostberlin: Als die Beamten jedoch am Telefon den Wunsch äußerten, das Gespräch im Gebäude abzuhalten, habe man „dankend abgelehnt“, so ein Mitbewohner zur taz.

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