: Beuys trifft Penne: Tafel im Glas
■ Pilot-Projekt im Gymnasium mit Inga Svala Thorsdottir
Am Anfang stand die Überlegung der Kunstlehrerin Elke Suhr, daß die Kunst der Gegenwart schwer an die Schüler zu vermitteln ist. So kam die Kunsterzieherin auf die Idee, mit jungen Künstlern von der HfBK und einigen Schülern zwischen 15 und 18 Jahren eine freiwillige Arbeitsgruppe zu gründen: das Projekt A.
Es ging um nicht weniger als darum, den strukturellen Schul-Frustrationen von bloßem Vorher-Wissen ein anderes Bewußtsein entgegen zu entwickeln. Dieser Wunsch, eine andere Energie-Ebene zu entdecken, konnte nur dadurch geschehen, daß „originale Kontakte von Außen in die Schule kamen“. Um das zu realisieren, braucht man verständige und Bürokratie-gestählte Partner. Der Schulleiter, Herr Gsell, war interessiert an diesen anderen Erfahrungen und sorgte für die Finanzierung. So entstand diese Pionierarbeit in Sachen Kunst, Künstler und Schule: Bewußtsein vom richtigen Leben und Kunst schon in der Schule vermitteln. Dort wo es hingehört, wenn Pädagogen verantwortungsbewußt auf Zukunft hin orientiert sind.
Die Schüler trafen auf die isländische Künstlerin Inga Svala Thorsdottir, deren Spezialität die Zerkleinerung von Gegenständen ist, die nach einem umfangreichen handwerklichen Arbeitsprozeß pulverisiert in Gläser gefüllt werden. Auf den Gläsern steht dann die wissenschaftliche Messung, Wiegung und Beschreibung dieser unumkehrbaren Werte-Umwandlung. Da stellt sich sofort die Frage nach den Werten: Die Künstlerin besaß den Mut und den Humor, mit den Schülern in den Chemie-Untericht zu wandern, eben dorthin, wo die berühmten Tabellen mit den Werten hängen, eine Seite der Tafel abzuhängen, über den Schulhof in ihr Atelier zu tragen, und das Symbol von Schule zu pulverisieren - ein von der Lehrerin und der Künstlerin entwickeltes, im besten Sinne beuysianisches Bewußtsein.
Über den Auflösungsprozeß wurde die AG nun mit Worten konfrontiert, die auf Erkenntnisgewinn, eben geistige Werte, und Umwandlungen von Materie in Imaterielles, verweisen: Begreifen kommt von greifen und führt zum Begriff - Fühlen, Sehen, Erkennen. Hierzu entwickelten die SchülerInnen Carola, Stefanie, Dennis, Melanie, Nina und Sascha eine Performance, in deren Verlauf Holz-Fundstücke, die nach dem Zufallsprinzip beschrieben waren, mit Wasser übergoßen wurden. Solches verhindert trockene Sprache und verknöcherte Theorie. Das Projekt sei zur Nachahmung in anderen Schulen und Unterrichtsfächern getrost empfohlen - aber vielleicht dann auch mal mit gutem, rotem Wein übergießen! Das Projekt wird fortgesetzt. Klasse.
Gunnar F. Gerlach
Infos: Gymnasium Bramfeld, Elke Suhr, Tel.: 642 5O 23
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