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Spandau nach Tschechien

■ AEG-Konzern in Frankfurt bestätigt Pläne, Anlagen aus Berliner Werk nach Tschechien zu verlagern / Niedriglöhne

Der AEG-Konzern denkt ernsthaft über einen Abtransport von Anlagenteilen seines Spandauer Schienenherstellers „Westinghouse Transportsysteme“ nach Tschechien nach. Ein solcher Schritt werde „erwogen“, bestätigte gestern gegenüber der taz der Sprecher der AEG-Zentrale in Frankfurt, Wilfried Sauer. Wie bereits berichtet, will das Unternehmen das Spandauer Werk bis Ende 1994 schließen und rund die Hälfte der 1.450 Mitarbeiter entlassen. Der Rest der Belegschaft soll an den AEG-Standort in Hennigsdorf umziehen. Die AEG-Planungen sehen vor, Motoren künftig statt in Spandau in Tschechien bauen zu lassen. Dadurch erhoffe man sich eine „optimale Produktion unter international wettbewerbsfähigen Kostenstrukturen“, umschrieb Sauer den Vorteil des Niedriglohnlandes. Gespräche über ein Produktions-Joint-venture mit dem tschechischen Staatsunternehmen CKD befinden sich nach Angaben des Konzernsprechers in einem „weit fortgeschrittenen Stadium“. Nicht bestätigen wollte er Informationen der IG Metall, wonach bereits zum 1. Januar 1994 ein Gemeinschaftsunternehmen unter Dach und Fach gebracht werden soll. Für den Abschluß eines Vertrages stehe sowohl die Zustimmung des AEG- Aufsichtsrats als auch der tschechischen Regierung und der dortigen Treuhandanstalt aus.

Das Spandauer Werk war 1985 auf der grünen Wiese an der Nonnendammallee mit Hilfe einer kräftigen Finanzspritze des Landes aufgebaut worden. Jüngst hatte Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD) die damals geflossenen Subventionen für AEG auf rund 35 Millionen Mark beziffert. Ein entsprechendes Schreiben des Berliner Senats, in denen Rückzahlungsforderungen erhoben werden, liegt dem AEG-Konzern bereits vor. Die Prüfung der unterschiedlichen Rechtsauffassungen sei noch nicht abgeschlossen, erklärte Sauer.

Nach Meinung des AEG-Konzerns berühren die gewährten Kredite nicht eine mögliche Verlagerung von Sachwerten ins Ausland. „Was auf dem Gelände in Spandau gebaut worden ist, gehört zum Eigentum der AEG“, so Sauer zur taz. Dem Konzern stehe es demnach frei, über eine Weiterverwendung von Anlagenteilen zu entscheiden. Severin Weiland

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