: EU-Forderungen an bosnische Kriegsparteien
■ In einem vertraulichen Papier fordern die Außenminister der Europäischen Union von Serben, Kroaten und bosnischen Muslimen Zugeständnisse
Genf (taz) – Die Außenminister der Europäischen Union (EU) wollen den drei bosnischen Kriegsparteien heute in Brüssel konkrete Forderungen zur Beendigung des Krieges und zur Unterzeichnung eines Abkommens vorlegen. Diese sind in einem vertraulichen Papier enthalten, das der taz vorliegt. Nach den gestern bis Redaktionsschluß ergebnislosen Verhandlungen in Genf sind die Aussichten allerdings nicht groß, daß heute in Brüssel mehr als nur die bereits am Donnerstag letzter Woche getroffene Waffenstillstandsvereinbarung für die Zeit zwischen Heiligabend und dem 3. Januar unterschrieben wird.
Laut dem Forderungskatalog sollen die Serben der bosnischen Regierung „drei bis vier Prozent mehr Territorium überlassen“. Dieses Gebiet müsse „lebensfähig“ sein. Dazu gehören „mehr Gebiete in den ostbosnischen Enklaven“, eine „stabile Verbindung zwischen den Enklaven und dem bosnisch-muslimischen Hauptgebiet um Sarajevo“ sowie der im Prinzip bereits im September vereinbarte „Zugang für die bosnischen Muslime zum Save-Fluß bei Brcko“. Weiterhin sollen die Serben „die volle Bewegungsfreiheit in ganz Sarajevo garantieren“ und den „Beschuß Sarajevos und der ostbosnischen Enklaven“ ebenso beenden wie „die Umzingelung Tuzlas“.
Schließlich verlangen die EU- Außenminister die serbische Zustimmung zu dem im „Aktionsplan“ vorgeschlagenen modus vivendi für die serbisch besetzte Krajina in Kroatien. Dieser sieht einen Waffenstillstand und die pragmatische Regelung von Verwaltungsproblemen vor, unter vorläufiger Ausklammerung der Frage des künftigen Status der Krajina.
Von den Kroaten verlangen die EU-Außenminister, den bosnischen Muslimen Zugang zur Adria „auf der Halbinsel Prevlica und in Ploce (inklusive eines Hafens am Fluß Neretva)“ zu gewähren. Außerdem sollen sie folgender Regelung zustimmen: Der auf bosnischem Territorium liegende Hafen Neum soll der vorgesehenen „Union dreier Teilrepubliken“ gehören und, falls die künftige kroatisch-bosnische Teilrepublik diese Union eines Tages verlassen sollte, in den Besitz der bosnisch-muslimischen Teilrepublik übergehen. Weiterhin sollen die Kroaten die Absicht zur „Teilung Mostars widerufen, die Kämpfe mit den Muslimen beenden und das humanitäre Völkerrecht respektieren“. Erst nach Erfüllung dieser Forderungen will die EU mit den Kroaten Verhandlungen über verbesserte Wirtschafts-und Handelsbeziehungen aufnehmen.
Die bosnischen Muslime sollen laut dem EU-Forderungskatalog ihren Anspruch auf Neum als bosnisches Hoheitsgebiet solange zurückstellen, wie die Kroaten die „Union“ nicht verlassen; sich mit der Verbindung zwischen Sarajevo und den ostbosnischen Enklaven zufriedengeben und die Forderung nach einer Verbindung nach Tuzla fallenlassen. Andreas Zumach
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