: Steuerloch mit Benzin volltanken
■ Ifo-Wirtschaftsforscher empfehlen stärkeres Abkassieren bei Autofahrern: Die würden locker 25 Pfennig pro Liter Benzin mehr bezahlen / Der "umweltrelevante Benzinpreis" beginnt bei 1,81 Mark
München/Berlin (AFP/dpa/taz) Die Erhöhung der Mineralölsteuer zum 1. Januar bringt weit weniger in die Staatskasse als erwartet. Um 1,7 Milliarden Mark habe sich Finanzminister Waigel verrechnet, meldete gestern das Münchner Ifo- Institut für Wirtschaftsforschung. Die Mehreinnahmen würden nur bei 6,3 Milliarden Mark liegen. Grund dafür sei, so die Forscher vornehm, „das wenig optimale wirtschaftliche Umfeld“, das die verfügbaren Einkommen erheblich mindere. Der Benzinpreis soll am übernächsten Wochenende um 16 Pfennig pro Liter steigen, Diesel um sieben Pfennig teurer werden.
Die Wirtschaftsforscher schlagen Waigel gleichzeitig vor, wie er seine Kassen dennoch füllen könnte: mit einer noch höheren Mineralölsteuer. Erst bei 1,80 Mark pro Liter für bleifreies oder zwei Mark für verbleites Benzin bestehe die wahrscheinliche Grenze, daß die Leute weniger mit dem Auto fahren, der zusätzliche Gewinn aus der Mineralölsteuer also durch den Rückgang des Verbrauchs aufgezehrt würde. Über die Anhebung 1994 hinaus bestehe daher noch ein „rentierliches“ Erhöhungspotential von 25 Pfennig Mineralölsteuer pro Liter. Dies würde jährlich 13 bis 16 Milliarden Mark Steuermehreinnahmen bescheren. Bei einer weiteren Erhöhung 1996 könne so ein großer Teil der geplanten Einkommensteuerreform finanziert werden.
Nach Ansicht des Ifo-Instituts könnte der Zuwachs beim Benzinabsatz – was ökologisch wünschenswert wäre – heruntergebremst werden, wenn die Mineralölsteuer einschließlich Mehrwertsteuer soweit angehoben würde, daß ein rückläufiger Absatz einsetzt. Dieser „umweltrelevante Benzinpreis“ liegt nach Ifo-Berechnungen derzeit bei Normalbenzin bleifrei bei 1,81 DM/Liter, bei 1,85 DM Super bleifrei und 1,98 DM Super verbleit, mit etwa 80 Prozent Steueranteil pro Liter. Bei einem Literpreis von 1,85 DM für Super bleifrei würden dann 1,46 DM nur auf Steuern entfallen.
Die Wirtschaftsforscher sehen daher auf mittlere Sicht die Möglichkeit, jährlich bis 78 Milliarden Mark Mineralölsteueraufkommen zu erzielen. Das Ifo-Institut spricht sich gegen eine Erhöhung der Kilometerpauschale zum einkommensmäßigen Mineralölsteuerausgleich aus, da sonst die erwünschte Verlagerung des Berufsverkehrs auf den öffentlichen Personennahverkehr nicht gefördert, sondern behindert werde.
Einen Strich durch die Rechnung mit langfristig geplanten Mineralölsteuererhöhungen könnten der Bundesregierung allerdings jederzeit die Erdöl exportierenden Staaten machen, wenn sie für ihr Produkt die Preise erhöhen. Eine einmalige massive Erhöhung des Benzinpreises etwa auf fünf Mark pro Liter hätte wegen des dann „kollabierenden Benzinverbrauchs“ nicht nur für den Fiskus und einzelne Wirtschaftsbereiche nicht verkraftbare Folgen.
Seit 1960 hat sich die Mineralölsteuer von der siebtstärksten zur drittstärksten Steuer entwickelt. In den Jahren 1985 bis 1991 sind die Steuersätze für Benzin prozentual im gleichen Umfange erhöht worden wie in den zwanzig Jahren zuvor.
Zwischen 1960 und 1991 kam es zu zwölf Mineralölsteuererhöhungen. Das Ifo-Institut: „Die Mineralölsteuer avancierte auf diese Weise zum fiskalischen Leistungsträger.“
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