: Ins Asyl-Verfahren gerutscht
■ Seit 17 Jahren in Hamburg lebende Frau beinahe abgeschoben / GAL: Bundesamt hat Fürsorgepflicht verletzt Von Kaija Kutter
Der vor drei Tagen beendete Hungerstreik auf der „Floatel Altona“ hatte wenigstens einen Erfolg: Die von Abschiebung bedrohte Ghania B. darf bleiben. Sie erhielt eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. Hätte es die Protestaktion nicht gegeben, wäre sie heute vermutlich schon ausgewiesen worden. „Wir sind durch die taz auf den Fall aufmerksam geworden“, sagt Uwe Brettschneider von der Ausländerbehörde. Außerdem habe der Unterkunftsleiter sich gewundert, daß die Frau ausgezeichnet deutsch sprach.
Nach einigen Recherchen im Behördenapparat sei man dann fündig geworden. Die 40jährige Mutter von vier Kindern ist geschieden, lebt tatsächlich seit 17 Jahren in Deutschland und hat seit 1983 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Wie die Frau, die in einem Heim für psychisch Kranke im Nordosten Hamburgs lebt, nun in die Mühlen des Abschiebeapparats geriet, ist unklar.
„Meine Anwältin hat mir erzählt, ich muß zusehen, daß ich gesund werde, weil ich abgeschoben werde“, sagte die am Hungerstreik beteiligte Ghania B. der taz. Die Anwältin habe gesagt, sie solle sich einen Stempel für drei Monate holen. „Das wollte ich aber nicht. Ich hatte vorher eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.“ Die aber sei in ihrem neuen Paß nicht mehr drin gewesen.
Ghania B., die dahinter eine Intrige ihres Ex-Mannes vermutete (“Der wollte mich raushaben“), stellte schließlich unter ihrem Mädchennamen Antrag auf Asyl. Spätestens beim Interview im Bundesamt für Flüchtlinge, so meint die GAL-Abgeordnete Anna Bruns, hätte auffallen müssen, daß die Frau nicht ins Asylverfahren gehört: „Das ist ein Hinweis dafür, wie bürokratisch diese Anhörungen laufen. Da werden standardisierte Fragen gestellt, die nichts taugen“, vermutet die grüne Politikerin. Die Beamten hätten fragen müssen: „Was ist eigentlich wirklich mit ihnen los? Warum sprechen sie so gut deutsch?“. Das Bundesamt, das in der Amsinckstraße eine Außenstelle betreibt, hätte auch eine Fürsorgepflicht gegenüber den Antragstellern.
Die Frau habe bei der Anhörung angegeben, sie sei über Marseille eingereist, verteidigt dagegen Uwe Brettschneider die Entscheidung seiner Kollegen vom Bundesamt. Ihr Antrag wurde zunächst als „offensichtlich unbegründet“ eingestuft und später ganz abgelehnt.
Über anderthalb Monate, so berichtete Ghania der taz, habe sie auf dem Wohnschiff „Floatel Altona“ gelebt – gegen ihren Willen: „Ich bin nicht freiwillig hier“. Stellt sich die Frage, warum das Wohnheim in dieser Zeit nicht auf die fehlende Bewohnerin aufmerksam wurde?
Die Mitarbeiter dort sind nicht auskunftsberechtigt, dafür aber die Sozialbehörde. Das Heim habe die Bewohnerin schon vermißt, nähere Auskünfte dürfe sie aus Datenschutzgründen nicht geben, sagt BAGS-Sprecherin Christina Baumeister. Ghania B. sei offensichtlich durch „schlechte Rechtsberatung“ ins Asylverfahren hineingeraten. Da Ghania B. entmündigt ist, hat sie eine Rechtsanwältin als „Betreuerin“ zur Seite.
Diese wollte gestern auf Nachfrage zu dem Vorfall nichts sagen, bevor sie nicht mit ihrer Mandantin gesprochen hat. Und auf die Frage, ob ihr nicht bekannt sei, daß ihre Mandantin beinahe abgeschoben worden wäre: „Ich weiß von dieser ganzen Sache überhaupt nichts“.
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