: Kuba: Reformen werden aufgeschoben
■ Seit gestern tagt der kubanische Volkskongreß / Konkrete Beschlüsse zur Sanierung der Wirtschaft sind noch nicht zu erwarten / Bürgerrechtler Jesse Jackson fordert Aufhebung des US-Embargos
Havanna (AFP) – Seit gestern tagt der kubanische Volkskongreß. Die wirtschaftliche Lage der Insel ist so düster wie noch nie. Der Ausfall von Lieferungen aus der auseinandergefallenen UdSSR und anderen ehemals sozialistischen „Bruderländern“ führt zu drastischen Versorgungskrisen vor allem bei Treibstoff und Konsumgütern.
Trotzdem wußte die amtliche Wochenzeitung Juventud Rebelde (Rebellierende Jugend) schon in ihrer Sonntagausgabe vor dem Kongreß, das Parlament sei nicht zu seiner zweitägigen Routinesitzung einberufen worden, „um konkrete Maßnahmen zu verabschieden“. Hoffnungen, daß der Volkskongreß tiefgreifende Reformen beschließen könnte, dürften deshalb verfrüht sein.
Bereits in diesem Sommer hatte die kubanische Regierung allerdings gewisse Liberalisierungen beschlossen. Seither ist auch den Kubanern der Besitz des US-Dollars erlaubt, mit denen sie in den Devisenläden einkaufen können. Außerdem wurde in bestimmten Berufen die selbständige Tätigkeit zugelassen sowie die Gründung von landwirtschaftlichen Kooperativen erlaubt.
Seither kamen in Havanna Gerüchte auf, der Volkskongreß werde auf seiner jetzt begonnenen Sitzung unter anderem die Einführung eines Steuersystems beschließen – in Kuba werden bislang keine Steuern erhoben. Außerdem war von einer Verwaltungsreform und einer drastischen Reduzierung der Finanzhilfen für den Arbeitsmarkt die Rede.
Diplomaten und ausländische Beobachter glauben jedoch, Fidel Castros Regierung denke zwar über alle diese Maßnahmen nach, die Entscheidung darüber sei jedoch auf das kommende Jahr verschoben worden.
Der schwarze US-Bürgerrechtler Jesse Jackson fordert von der US-Regierung trotzdem, das über 30 Jahre alte Handelsembargo gegen Kuba aufzuheben. Er hat über Weihnachten mit einer Delegation der aus Vertretern gesellschaftlicher Minderheiten bestehenden Organisation „Arcoiris“ die Insel besucht und unter anderen mit dem Außenminister, dem Parlamentspräsidenten und dem Vorsitzenden des Staatskomitees für Finanzen gesprochen. Die Gespräche haben den Demokraten offenbar überzeugt. Er erklärte vor der Presse, die von Fidel Castro bereits eingeleiteten ökonomischen Reformen seien „wesentlich“.
Der „Teufelskreis von Gewalt und Haß“ zwischen der sozialistischen Insel und den Vereinigten Staaten müsse jetzt endlich durchbrochen werden, mahnte Jackson weiter. Eine „Bedrohung der nationalen Sicherheit“ der Vereinigten Staaten gebe es nicht mehr.
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