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Sattelt die Känguruhs: Einmal Outback und zurück!

Nicht nur wegen Sydney 2000 boomt der deutsche Australien-Tourismus. Ein Sixpack Australien-Bücher, konsumiert und rezensiert  ■ von Robert Zimmer

Down under ist längst kein reines Aussteigerparadies mehr, sondern ein Land, das mit Macht ins 21. Jahrhundert drängt. Im Jahr 2000 steht bekanntlich Olympia in Sydney an, und 2001 feiert der Australische Bund sein Hundertjähriges. Bis dahin bastelt die Labor- Regierung Keating an einem neuen Verfassungsoutfit: die australische Republik ohne Queen mit einem Australier als Staatsoberhaupt. Australien hat den Anspruch, sich nach innen multikulturell und nach außen als pazifische Regionalmacht darzustellen. Doch dem neuen nationalen Selbstbewußtsein steht ein Berg ungelöster Probleme gegenüber, darunter die wirtschaftliche Rezession und die noch nicht erfüllte Forderung der Aborigines nach einem Grundvertrag, der ihre Landrechte regelt. Vor diesem Hintergrund betreibt Australien eine massive Tourismuswerbung, die den westeuropäischen und amerikanischen Mainstream-Touristen erreichen soll. Das kosmopolitische Image soll gepflegt und die Zahlungsbilanz aufgebessert werden. Es kommen – nicht unerwartet und in steigender Zahl – die Deutschen mit ihrer ewigen Suche nach der ursprünglichen Natur und dem unberührten Urlaubsparadies.

Der Reisebuchmarkt hat darauf explosionsartig reagiert, doch vieles, was sich „Reiseführer“ nennt, ist nicht mehr als ein statistisch aufgemotztes Abfahren von Routen.

Eine Ausnahme macht auch hier der im VSA-Verlag erschienene Australien-Band von Ferdinand Dupuis-Panther. Der landeskundliche Teil ist hier als eine lockere Folge von Kurzessays zum Alltag, zur Kultur und zur Gesellschaft Australiens konzipiert. Nicht alle diese Essays sind gleichgewichtig, doch kann der Autor authentisches australisches Innenleben vermitteln. Daß Barbecue der gastronomische Volkssport Australiens ist, ist ein Allgemeinplatz, doch wer weiß etwas über das Leben australischer Jugendlicher, über das australische Kino (jenseits von „Crocodile Dundee“) oder über die zunehmende Bodenerosion? Der eigentliche Reiseteil ist auf den nichtmotorisierten Individualtouristen abgestellt. So enthält er zahlreiche Tips für Fahrradtouren, Wanderungen und unkonventionelle Besichtigungsvorschläge (z.B. ein Tagesausritt zu Pferde in die Warrumbungles in New South Wales). Der Autor hat zwar alle Regionen des Landes besucht, doch er geht jeweils nur sehr selektiv auf bestimmte Orte und Plätze ein. Auch sind konkrete Tips zu Unterkünften spärlich. Der Band ist jedoch insgesamt kenntnisreich, kritisch und anregend.

Auch Roland Dusiks Australien-Handbuch in der DuMont- Reihe „Richtig Reisen“, das den älteren Führer von Johannes Schultz-Tesmar ersetzt, kann mit dem Anspruch auftreten, den Leser ein Stück weit in australische Kultur und Geschichte einzuführen. Doch anders als Dupuis-Panther geht Dusik nie über die Ränder der konventionellen Landeskunde hinaus. DuMont bedient nicht den alternativen explorer, sondern den Mittelklasse-Bildungsreisenden. Es ist ein Buch für den aufgeklärten Lehrer Lämpel der neunziger Jahre, in seiner Hausbackenheit zuweilen auch unfreiwillig komisch („Es geschahen furchtbare Dinge zu jener Zeit, als die Briten das Land untertan machten“). Die Informationen sind jedoch solide, zuverlässig und aktuell. Auch hat man sich bei der Fotoauswahl große Mühe gegeben.

Das von Edgar P. Hoff im Selbstverlag edierte „Reisehandbuch für einen außergewöhnlichen Kontinent“ erfüllt einen begrenzten, jedoch durchaus nützlichen Zweck. Das Buch ist gespickt mit kleingedruckten Detailinformationen zu Unterkünften (darunter die äußerst nützlichen Tips für backpackers), Ausflugszielen und Informationsstellen. Hoff hat zu jedem einigermaßen wichtigen australischen Ort unglaublich viel recherchiert. Er beschreibt z.T. die Ausstattung von Unterkünften, gibt Einkaufsmöglichkeiten an und hat Restaurants getestet. Auch Kulturveranstaltungen, nützliche Telefonnummern und diplomatische Anlaufstellen hat er nicht vergessen. Beispiele: Wer in Melbourne abends Jazz hören will, findet drei Jazz-Clubs mit Adresse, ergänzt durch die Information, an welchen Abenden Konzerte stattfinden. Wer in Darwin baden will, erfährt, an welchen Stränden er den giftigen box jellyfishes und sea wasps entgehen kann. Der einführende Landeskundeteil ist dünn, jedoch aktuell. Hoffs Buch eignet sich nicht als kritische Einführung in die australische Kultur und Gesellschaft, aber es ist ein ungeheuer nützliches Reisehandbuch im wörtlichen Sinne. Welchen Australien-Führer man sonst noch mitnimmt, dieses Buch könnte sich in vielen konkreten Situationen als unbezahlbar erweisen.

Die Reiseführer der Edition Erde haben sich dem sanften Tourismus verschrieben, doch was dies im Falle des ins Deutsche übertragenen Australien-Bandes des Amerikaners Carl Robinson heißen soll, ist völlig unklar. Robinson handelt die einzelnen australischen Bundesstaaten in Beiträgen ab, die halb als Reiseessay und halb als Aufzählung konventioneller Sehenswürdigkeiten angelegt sind. Mager ist auch der am Ende angehängte Informationsteil. Hinweise auf Jugendherbergen, backpackers-Unterkünfte oder Campingplätze finden sich nirgends. Der Band versucht von allem ein bißchen zu sein und scheitert an seiner unverbindlichen Kurzatmigkeit: Man erhält weder intelligente landeskundliche Hintergrundinformationen, noch kann man ihn als eigentliches Handbuch benutzen.

Schnell weglegen sollte man den Goldstadt-Reiseführer von Norbert R. Lux. Dies ist ein Führer für ehemalige Pauschaltouristen, die sich ins Wohnmobil wagen. Die Hintergrundinformationen werden auf ein statistisches Grundgerüst zusammengedrängt, und der Blick auf die australische Wirklichkeit bleibt völlig unkritisch. So entblödet sich der Verfasser nicht, sich für die Gold Coast zu begeistern, den etwa 40 Kilometer langen Küstenstreifen südlich von Brisbane, der von der Touristikindustrie in einen riesigen öden Konsumpark verwandelt wurde. Norbert R. Lux findet das gut: „Was sich aber in Meeresnähe abspielt, sprengt alles sonst an Australiens Küsten Gebotene“ (!). In der Holpersprache von Biedermanns Reisebüro („Alles in allem eine wirklich sehenswerte Insel samt dem sie umgebenden Meeresgebiet“) führt dieses Buch zielstrebig dorthin, wo die Touristenbusse ihre Fracht zum Fototermin abladen. Und ist man erst einmal im südaustralischen Barossa Valley angekommen, wo deutsche Einwanderer des 19. Jahrhunderts Australiens berühmtestes Weinbaugebiet begründet haben, gibt es kein Halten mehr: „Hier wird deutsches Brauchtum noch praktiziert, und der Tourist freut sich vor allem über die lang vermißten Wurst- und Brotsorten.“ Natürlich beginnt die Geschichte Australiens mit dem „ersten Europäer“. Und die Aborigines? Viele von ihnen leben „unter dem Existenzminimum“ und spielen auf „primitiven Instrumenten“. Da hilft es auch nichts mehr, daß der Verfasser seiner „Tante Mia für die wertvolle Mithilfe“ dankt.

Zum guten Ende noch ein Australien-Buch völlig anderer Art: der Fotoband „Australien“ mit dem abgelutschten Hochglanzuntertitel „Zauber und Schönheit grandioser Landschaften“ von Richard Woldendorp. Woldendorp, ein vielfach ausgezeichneter australischer Fotograf niederländischer Herkunft, hat australische Natur fotografisch als Kunst inszeniert. Vertreten sind alle australischen Regionen, wobei nicht so sehr das Spektakuläre ausgewählt, sondern vielmehr das alltäglich Sichtbare spektakulär ins Bild gesetzt wird: Salzbüsche in der Wüste, Eukalyptus-Regenwälder in den Blue Mountains oder eine Strandlandschaft in Westaustralien. Woldendorp hat einen erstklassigen Blick für Farbe, Licht und Perspektive, und der bringt die Natur auch dort ins Bild, wo sie ökologisch beschädigt ist. Das Buch ersetzt keinen Reiseführer, doch könnte es zu einem Erinnerungsbuch besonderer Art werden: Vielleicht kann man in 20 Jahren, wenn die Zersiedlung Australiens fortgeschritten und das Land von deutschen Birkenstocksandalen endgültig erobert ist, dort noch einmal nachschauen, was dieses Land einmal war: ein privilegiertes Objekt der ästhetischen Landschaftsfotografie.

– Ferdinand Dupuis-Panther: „Australien. Ein Reisebuch“, VSA-Verlag, Hamburg 1990, 353 Seiten, 39,80 DM

– Roland Dusik: „Australien. Reise-Handbuch“, DuMont-Buchverlag, Köln 1992, 598 Seiten, 46 DM.

– Edgar P. Hoff: „Australien. Das Reisehandbuch für einen außergewöhnlichen Kontinent“, Edgar Hoff Verlag (Verlagsgruppe Reise KnowHow), Rappweiler 51993, 668 Seiten, 36,80 DM

– Carl Robinson: „Australien“, Edition Erde/BW-Verlag, Nürnberg 1991, 359 Seiten, 29,80 DM

– Norbert R. Lux: „Australien. Landeskunde, Menschen, Bundesstaaten. Beschreibung von Strecken, Städten und Sehenswürdigkeiten“, Goldstadtverlag, Pforzheim 61992, 503 Seiten, 29,80 DM

– Richard Woldendorp (Fotos): „Australien. Zauber und Schönheit grandioser Landschaften“, Verlag Das Beste, Stuttgart 1993, 239 Seiten, 78 DM.

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