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Das Geschäft mit dem Dreck

Müllverschiebung: Die Zahl der Umweltdelikte steigt, und die Kripo ist überfordert / Aus der schnellen Mark mit der illegalen Abfallbeseitigung wurde die organisierte Umweltkriminalität  ■ Von Bettina Fink

Die Geschäfte mit dem Müll boomen. Vor allem die illegalen. Innerhalb eines Jahres haben Umweltdelikte im Bereich der „umweltgefährdenden Abfallbeseitung“ allein in den alten Bundesländern um durchschnittlich 11 Prozent zugenommen. Die neuen Länder tauchen in der Statistik des Bundeskriminalamts noch gar nicht auf. Dort werden eigene Umweltreferate der Polizei zum Teil erst aufgebaut. Berlins Umwelt- Kripo kann bereits jetzt mit drastischen Vereinigungszahlen aufwarten: Sie registriert 30 bis 40 Prozent mehr Fälle als vor der Wende.

Zu den kleinen Fischen zählen Transportunternehmer, die ein sattes Zubrot mit verbotenen Bauschuttablagerungen einfahren. Fettere Beute ist mit der illegalen Müllverschiebung im großen Stil – derzeit vor allem in den ehemaligen Ostblock – zu machen. Die tatsächliche Zahl der als Wirtschaftsgut getarnten Gift-Transporte ist kaum abzuschätzen. In Berlin wurden 1993 rund 2.500 Umweltdelikte registriert, davon waren 20 bis 30 „größere Müll-Verschiebungen“, so Hans-Dietrich Kreuzer, stellvertretender Leiter der Umweltkripo Berlin. Dazu zählt etwa ein Fall, in dem mehrere Tonnen Sondermüll und Pestizide als Multivitaminpräparate deklariert nach Polen ausgeführt werden sollten. Daß sie den Fahndern in die Hände fielen, ist die große Ausnahme.

Besonders frustrierend für die Umweltpolizei: Oft können die Täter zwar ermittelt, aber nicht mehr belangt werden. Mit Vorliebe entziehen sich die Müllschieberfirmen dem Zugriff durch rechtzeitige Auflösung. Ein Bauer im Berliner Umland blieb so z.B. auf 200 Fässern, die er in seiner Scheune gegen entsprechende Zahlungen zeitlich begrenzt unterstellen ließ, sitzen. Die Firma, die ihm die Giftbomben bescherte, hörte zwischenzeitlich auf zu existieren.

Bei den meisten Umweltstraftätern handelt es sich um Einzelne, die sich um die artgerechte Entsorgung ihres privaten Sondermülls und die damit verbundenen Kosten drücken wollen. Vom Autowrack bis hin zum eingestampften Kühlschrank wird mehr denn je wieder die freie Landschaft zum Abstellplatz.

Umgekehrt proportional zum Anstieg der Umweltdelikte ist die Zahl der Ermittler: In Berlin beispielsweise sind von 57 im Jahr 1990 in diesem Jahr noch 52 geblieben. Bundesweit werden knapp zwei Drittel aller Umweltdelikte aufgeklärt, in Berlin angesichts des Booms nach der Wende nur 46 Prozent. Zudem werden die Ermittlungen dadurch erschwert, daß die internationale Müllverschiebung gesetzlich als Ordnungswidrigkeit eingestuft und somit strafrechtlich nicht verfolgbar ist. Die Kompetenzverteilung zwischen Polizei und Ordnungsbehörden soll im Zuge der Strafrechtsänderung, die derzeit in Bonn diskutiert wird, geklärt werden. Zudem wird wahrscheinlich neben Wasser- und Luft- auch die Bodenverunreinigung in die neuen gesetzlichen Bestimmungen aufgenommen. Ohne Personalaufstockung drohen neue Gesetze aber zur Farce zu werden.

Kommissar Kreuzer sieht die Verschärfung von Gesetzen noch aus einem anderen Grund skeptisch: „Das Ganze ist populistisch, solange noch nicht einmal die vorhandenen strafrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Ich habe noch nie erlebt, daß die Höchststrafe von fünf Jahren Freiheitsentzug bei schweren Umweltdelikten verhängt wurde.“ Die Berliner Kripo will zumindest den dicken Hunden unter den Umwelttätern mit neu eingestellten Wirtschaftsreferenten auf die Pelle rücken. Werden die Umweltstraftäter auch als Wirtschaftskriminelle überführt, können die illegalen Gewinne abgeschöpft werden.

Und die gelben Säcke des Dualen Systems, die immer mal wieder auf französischen oder indonesischen Halden auftauchen? Kein Thema für uns – wehrt Kripomann Kreuzer ab. Der Export von Grünem-Punkt-Müll wird hochoffiziell als „Wertstofftransfer“ deklariert. Alles eine Frage der richtigen Wortwahl.

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