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Wolf kam, sah und sagte nichts

■ Kurzer Auftritt von Markus Wolf vor dem OLG in Celle

Der von großem Medienrummel begleitete Auftritt des prominenten Zeugen dauerte weniger als zehn Minuten und verlief wie erwartet. „Ich möchte umfassend von meinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen“, sagte der frühere DDR-Spionagechef Markus Wolf am Montag vor dem 5. Strafsenat des Oberlandesgericht in Celle im Spionageprozeß gegen den ehemaligen niedersächsischen Verfassungsschützer Wilhelm Balke. Kurz darauf nahm der 70jährige vom Gericht eine Kassenanweisung in Empfang und verließ in Begleitung seines Rechtsanwaltes und seines Sohnes Sascha das Gerichtsgebäude.

Lediglich Fragen zu seiner Person beantwortete Wolf, der rund drei Jahrzehnte lang – von 1958 bis 1987 – als einer der erfolgreichsten östlichen Geheimdienstchefs galt und heute nach eigenen Angaben als „Redakteur und Schriftsteller“ arbeitet. Wolfs Anwalt erklärte am Montag vor dem Gericht in Celle, daß der Fall Balke in der Anklageschrift gegen seinen Mandanten enthalten sei und Wolf folglich nicht aussagen könne, ohne Gefahr zu laufen, sich selbst zu belasten.

Wolf war Anfang Dezember 1993 vom 4. Strafsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts wegen Landesverrats und Bestechung zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Seine Verteidigung hat jedoch Revision gegen das Urteil eingelegt. Außerdem steht noch eine grundsätzliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus, ob ehemalige DDR-Spione überhaupt strafrechtlich zu belangen sind.

In Celle sollte Wolf, der früher mehrere tausend DDR-Agenten führte, als Zeuge im Verfahren gegen den 54 Jahre alten Ex-Verfassungschützer Wilhelm Balke aussagen. Der soll nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft 13 Jahre lang für das DDR-Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet und so wesentliche Teile des Verfassungsschutzes lahmgelegt haben.

Balkes Stasi-Führungsoffizier war der Schwiegersohn von Markus Wolf. Sieben Menschen sollen in der DDR wegen der Aktivitäten des Doppelagenten zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden sein. In ihrem Plädoyer hatte die Anklage zehn Jahre Haft sowie die Einziehung des angeblich erhaltenen Agentenlohns von 245 000 Mark gefordert. Balkes Anwalt hatte danach den Wiedereinstieg in die Beweisaufnahme und Wolfs Vernehmung beantragt. dpa

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