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Zenga mit fliegenden Fäusten

■ Der AC Mailand baute seine Spitzenposition in der italienischen Fußball-Liga aus, Lokalrivale Inter verlor in San Siro, und Roberto Baggio verzaubert Udine

Berlin (taz) – Bei ihrer fröhlichen Silvesterfeier waren sich die Spieler von Inter Mailand alle einig: 1994 würden sie die „Trikolore“ – Meisterschaft, italienischen Pokal und Uefa-Cup – gewinnen. Doch schon am 2. Januar erhielten die hochfliegenden Träume einen schweren Dämpfer: Inter verlor im San-Siro-Stadion durch ein Tor von Orlandini in der 88. Minute gegen Atalanta Bergamo mit 1:2 und mußte erleben, wie seine enttäuschten Fans den Bergamasken begeistert Beifall für deren ersten Auswärtssieg spendeten. Unrühmlicher Höhepunkt der Partie war der Amoklauf des Mailänder Ex- Nationaltorhüters Walter Zenga, der nur mit Mühe daran gehindert werden konnte, den Gästetrainer Valdinoci mitten auf dem Platz zu vermöbeln und anschließend mit fliegenden Fäusten die Atalanta- Kabine zu erstürmen. Der Zorn des Keepers war verständlich, schließlich hatte ihm Valdinoci, als Zenga das Siegtor wegen angeblicher Abseitsstellung anfocht, nach Ohrenzeugenberichten zugerufen: „Geh zurück in dein Tor, du Arschkopf, Sacchi hat recht, daß er dich nicht mehr ins Nationalteam beruft.“

Inter liegt nunmehr schon fünf Punkte hinter dem Lokalrivalen AC Mailand, der sogar noch ein Spiel nachzuholen hat. Der Tabellenführer zeigte sich beim Spiel in Reggio Emilia bestens erholt von seinen bitteren Schlappen im Weltcup gegen Sao Paulo und im italienischen Pokal gegen den Zweitligisten Venedig und konnte seine Spitzenposition durch den 1:0-Sieg bei Reggiana ausbauen.

Dabei war es paradoxerweise der Platzverweis für den Franzosen Jean-Pierre Papin, der Milan den Sieg beim Aufsteiger sicherte, der seit neunzehn Monaten zu Hause nicht mehr verloren hatte. Zwar waren die Mailänder in der 28. Minute durch ihre französische Neuverpflichtung Marcel Desailly in Führung gegangen, doch gerieten sie zunehmend unter Druck. In der 35. Minute verpaßte Papin dann seinem Bewacher Parlato einen Kopfstoß auf die Nase und flog vom Platz. „Ich habe ihn leicht berührt, und er hat eine Schau abgezogen“, behauptete der Franzose, Parlato konterte: „Von wegen Schau. Ich habe ein Ballonnase.“ Fortan jedoch lief das Milan-Spiel wie am Schnürchen, und Reggiana-Trainer Marchioro ärgerte sich: „Die Tatsache, daß Milan zu zehnt gespielt hat, hat uns ruiniert.“ Star des Spieltages war einmal mehr Roberto Baggio. Der zum besten Fußballer Europas und der Welt gewählte Zopfträger führte Juventus Turin fast im Alleingang zum ersten Auswärtssieg dieser Saison und riß die Zuschauer beim 3:0-Erfolg in Udine zu stehenden Ovationen hin. Das 2:0 erzielte er in der 48. Minute per Hackentrick, und beim 3:0 in der 62. Minute spielte er fast die ganze gegnerische Abwehr aus, bevor er den Ball ins Netz schoß. Nach Spielschluß war der 26jährige dann wieder ganz buddhistische Bescheidenheit. Mit der Mannschaft sei er zufrieden gewesen, „nicht mit mir. Ich kann noch besser werden.“ Eine Botschaft, die eindeutig an den AC Mailand gerichtet war. Matti

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