: Schwarz ist schick, Weiß ist doof
Wenn der Ex-Guerillero für die weiße Rüstungsfirma arbeitet: Südafrikas Konzerne reißen sich um gut ausgebildete Schwarze, um vom Apartheid-Image loszukommen ■ Aus Kapstadt Willi Germund
Das Reihenhaus in dem malerisch an einer Meeresbucht gelegenen Hout Bay südlich von Kapstadt kündet von bescheidenem Wohlstand. Danie Nortje zerrt ein kleines goldenes Hugenotten- Kreuz mit doppeltem Querbalken aus dem Hemdausschnitt. „Meine Familie geht auf die ersten Einwanderer zurück“, betont er, „ich bin einer der Buren.“ Aber er gehörte nie „dazu“. Beim südafrikanischen Fernsehen stand der Fernsehproduzent wegen seiner kritischen Einstellung auf der schwarzen Liste. Jetzt ändern sich die Zeiten, aber Danie Nortje hat schon wieder keine Chance. Der Grund: affirmative action – die bewußte Förderung von schwarzen Südafrikanern nach Jahren der Diskriminierung, die Weißen am Kap kaum noch Chancen auf dem Arbeitsmarkt läßt.
Knapp 15 Prozent der 40 Millionen Südafrikaner sind weiß, doch ihnen gehören 98 Prozent des nationalen Reichtums. Ein sozialer Unterschied, der sich auch auf dem Arbeitsmarkt niederschlägt: 60 Prozent der ungelernten Arbeiter sind schwarz, nur 0,58 Prozent weiß. In hohen Managementpositionen sieht das Zahlenverhältnis umgekehrt aus: 98,17 Prozent der südafrikanischen Bosse sind weiß, nur 1,08 Prozent schwarz. Selbst im mittleren Management gehören noch knapp 91 Prozent zur weißen Minderheit, 1,5 Prozent zur schwarzen Mehrheit und 6,5 Prozent sind indischer Abstammung.
Da Südafrikas Apartheid in den letzten Todeszuckungen liegt, haben jetzt auch seine Industriekapitäne erkannt, daß sich die Zeiten ändern. „Wir hassen affirmative action“, sagt Jakob Meyer Kahn, Chef des 1895 gegründeten Biergiganten „South African Breweries“ (SAB), „aber wir haben es machen müssen.“
Bei der südafrikanischen Daimler-Benz-Tochter wurde die Förderung von Schwarzen schon vor Jahren begonnen, mit weniger Widerwillen, aber auch einer Reihe von Problemen. Manager Christian Köpke: „Zuerst haben die Gewerkschaften nicht mitgespielt, weil sie dachten, wir wollten die Leute kaufen.“ Nach langen Verhandlungen wurden die Probleme beseitigt, und heute beobachtet Köpke in seinem Betrieb: „Die Abteilungen, die von Schwarzen geleitet werden, erhalten auch relativ schnell weitere Schwarze. In weiß geführten Bereichen sieht das anders aus.“
Viele Institutionen und Betriebe in Südafrika legen mittlerweile großen Wert auf eine Änderung ihres Erscheinungsbildes. Selbst Armscor, Südafrikas staatliche Rüstungsschmiede, läßt sich in der Pressearbeit jetzt von einem Mitglied des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) vertreten. Der Mann war früher gar Kommandeur in der bewaffneten ANC-Untergrundbewegung „Umkhonto we Sizwe“, dem Erzfeind des Rüstungsapparats.
Nach Jahren der Diskriminierung und schlechter Ausbildung sind ausgebildete Schwarze in Südafrika freilich Mangelware. Die wenigen, die es geschafft haben, können angesichts des großen Bedarfs die Höhe ihrer Gehälter diktieren. Unternehmen wie die südafrikanische Tochter des Erdölkonzerns Shell, am Kap eine der Vorkämpferinnen von affirmative action, sehen angesichts dessen ihre Bemühungen oft frustiert. Sprecherin Kusum Kalyan: „Wir bilden unsere Leute aus, und dann werden sie von anderen Unternehmen abgeworben.“ Acht wichtige schwarze Mitarbeiter verließen Shell alleine in den letzten beiden Monaten.
Doch so gut die Nachrichten für ausgebildete Schwarze sein mögen – für die Masse sieht die Zukunft weiter düster aus. Auf etwa 50 Prozent wird die Arbeitslosenrate geschätzt. Und noch ändert sich wenig an den Besitzverhältnissen. In Kapstadts „Waterfront“, einem zum Vergnügungsviertel, Einkaufs- und Kneipenzentrum umgemodelten Teil des Hafens, werden Millionen umgesetzt. Aber nicht einmal eine Tankstelle wurde hier an einen schwarzen Unternehmer vergeben.
Trotzdem macht sich bei jungen weißen Südafrikanern Zukunftsangst breit. „Ich hege überhaupt keine Illusionen über die Aussichten meiner Söhne“, sagt Danie Nortje. Er versucht ihnen deshalb sogar ein Studium auszureden. Statt dessen sollen sie ausgefallene Berufe auswählen, in die es Schwarze vorerst nicht drängen wird. Einer der beiden Jungen beherzigt den Rat des Vaters schon: Er will Taucher werden.
Die Sorgen der Familie Nortje sind berechtigt. Das staatliche Unternehmen Transnet verkündete bereits in aller Öffentlichkeit einen Einstellungsstopp für Weiße. Der Zeitungskonzern Argus konzentriert sich auf die Förderung schwarzen Nachwuchses. Südafrikas Verwaltung, ohnehin schon auf 1,2 Millionen Beamte aufgebläht und eine der traditionellen Nischen für Buren, dürfte nach den Wahlen am 27. April ebenfalls als Karrieremöglichkeit ausfallen. Zumindest gibt es eine Beschäftigungsgarantie für die gegenwärtigen Angestellten.
So führte diese Entwicklung im Bereich des staatlichen Fernsehens Nortjes aberwitzige Situation herbei: Liberale weiße Journalisten, denen die Tore während der Apartheid verschlossen blieben, stehen trotz hoher Erwartungen wieder einmal vor der Tür. Neue Posten werden mit Schwarzen besetzt – und die etablierten weißen Journalisten, die während der letzten Jahrzehnte dem Apartheid- Regime das Wort geredet haben, dürfen bleiben.
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