: Opfer bezahlen die Täter
■ betr.: „Gewalt gegen Frauen ein Thema für Männer“, Kongreß am 10.12.93 in Bonn
Das auf dem Kongreß vorgestellte Konzept einer Tätertherapie ist angesichts der Gewalt, die von Männern ausgeht, nur zu begrüßen und höchst notwendig. Es ist richtig und wichtig, daß Männer sich mit den Tätern befassen und so versuchen, einen Durchbruch der Gewaltspirale zu erreichen. Das, was die einzelnen Männergruppen in den letztenJahren an Arbeit leisteten ist der Beweis, daß es auch andere Wege gibt, mit dem Mannsein umzugehen.
Um so erstaunter waren wir, als sich herauskristallisierte, daß die finanzielle Unterstützung dieses Projektes über das Frauen- und Jugendministerium läuft. Obwohl mehrere Anfragen zum Thema der Finanzierung innerhalb des Kongresses kamen, wurden keine Antworten darauf gegeben. Vielmehr wurde darauf verwiesen, daß die Tätertherapie letztendlich den Frauen ja zugute käme und darum eine Investition in die Zukunft sei. Was dabei aber mit keinem Wort erwähnt wurde und worum es unserer Meinung nach geht, ist die Tatsache, daß dieses Geld der Frauenbewegung, die schon mehr als 20 Jahre (meist „ehrenamtlich“ und unbezahlt) arbeitet, verlorengeht. So ist es zum Beispiel für die Opfer nicht möglich, eine Therapie zu bekommen, oft ist es sogar ein „Glücksfall“, einen Platz in einem Frauenhaus zu bekommen. Die Haushaltskürzungen des Frauenministeriums in Rheinland-Pfalz zum Beispiel betragen 17 Prozent. Dies ist die größte prozentuale Kürzung in diesem Landeshaushalt. Mehrere Frauen- und Mädchennotrufe bei Vergewaltigung und Mißbrauch müssen schließen, weil sie nicht mehr finanziert werden.
Wie die einzelnen Männergruppen dazu stehen, war nicht in Erfahrung zu bringen. Es sieht aber so aus, als würde große Einmütigkeit darin herrschen, das Geld – 1,5 Millionen – zu nehmen und stillschweigend zur Tagesordnung überzugehen. Daß hier die Opfer die Täter bezahlen, schien wohl niemand der anwesenden Männer zu interessieren. [...]
Unterdrückung und Diskriminierung von Frauen hat viele Gesichter und Facetten. Es kann auch das Abgraben von Geldern sein, das eine Arbeit mit den Opfern von Gewalt unmöglich macht, und dadurch wiederum könnte wohl der Eindruck entstehen, es gäbe gar keine Opfer.
Es steht außer Zweifel, daß Tätertherapie der richtige Ansatz ist. Nur müssen sich die Männergruppen darüber im klaren sein, daß dieses Projekt nicht über das Frauenministerium finanziert werden kann. Alle Ministerien, bis auf das Frauenministerium sind Männerdomänen. So gibt es also nur den Weg über ein anderes Ministerium. Sollten sich Ministerien wie Justiz oder Inneres oder andere nicht bereit zeigen, das Geld für dieses wichtige Projekt zu geben, muß, wenn wir Männerarbeit nicht ad absurdum führen wollen, geschlossen von allen Männerprojekten in diesem Land das Geld abgelehnt werden. [...] F. Beumer, Jürgen Tröbliger,
Mitglieder der Gruppe „Männer
gegen Männergewalt“, Speyer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen