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Expressionismus für Rosa und Karl

Zum 75. Mal wird an diesem Sonntag in der „Gedenkstätte der Sozialisten“ in Friedrichsfelde der Ermordung der KPD-Gründer gedacht / Erstes Monument wurde 1926 eingeweiht  ■ Von Severin Weiland

Der Zentralfriedhof in Friedrichsfelde ist ein einsamer Ort. Besucher verirren sich selten hierhin. Nur einmal im Jahr, in der zweiten Januarwoche, ziehen Massen durch das Gittertor an der Gudrunstraße. Einer Pilgerfahrt gleich, werden Blumen abgelegt an jener „Gedenkstätte der Sozialisten“, um dessen Block aus Porphyr die Platten mit den Inschriften von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht neben denen anderer Revolutionäre liegen, die im Januar 1919 ermordet und später auf dem Friedhof beigesetzt worden waren. 1951 auf Betreiben der SED wiederhergestellt, war die Stätte bis vor fünf Jahren ein Ort organisierter Willensbekundung für den Arbeiter-und-Bauern-Staat.

Doch mit dem Exitus der DDR wurde – zur Überraschung vieler – keinesfalls das Gedenken an Liebknecht und Luxemburg, den ehemaligen SPD-Mitgliedern und späteren Gründern der KPD, mitbegraben. Dies ist wohl nicht nur der Tatsache geschuldet, daß allen voran die PDS – wie in den Jahren zuvor – auch für diesen Sonntag kräftig mobilisiert. Trotz aller Vereinnahmungsversuche ragen die Ideen von Liebknecht und Luxemburg für viele Menschen offenbar über 40 Jahre DDR-Sozialismus hinaus – schließlich wurden die Schriften der Ermordeten auch von der SED nur mit spitzen Fingern angefaßt.

Daß einst auf dem Zentralfriedhof ein kunsthistorisches Monument der Toten gedacht hatte – darauf deutet heute nichts mehr hin. Am 13. Juni 1926 war hier ein expressionistisches Klinkermonument nach den Plänen des Architekten Mies van der Rohe eingeweiht worden. Die aus Mauerschollen aufeinandergetürmte Wand, an dessen Vorderfront ein Stern mit Hammer und Sichel prangte, war von Anbeginn ein ungeliebtes Objekt. Denn die Gelder für das „Revolutionsdenkmal für Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg und viele andere revolutionäre Kämpfer der deutschen Arbeiterbewegung“ hatte die KPD unter ihren Anhänger gesammelt.

In der Endzeit der Weimarer Republik, als die Kommunisten neben dem System auch die Sozialdemokraten als „Sozialfaschisten“ unerbittlich bekämpften, wurde van der Rohes Bau zum verlängerten Kampfplatz der ideologischen Auseinandersetzung. Zum vorläufig letzten Mal pilgerten im Januar 1933, kurz vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten, die Massen zum Grab der beiden Revolutionäre.

Danach war jeder Gang nach Friedrichsfelde ein gefährliches Unterfangen. Die Geheime Staatspolizei (Gestapo) nahm sich fortan der Stätte an. Das Gelände wurde streng überwacht. Wer sich näherte und suspekt schien, wurde verhaftet, verhört und nicht selten abgeurteilt. In der zunehmenden Gleichschaltung der Gesellschaft wurde der Ort zum Sammelpunkt für jene, die sich der herrschenden Ideologie widersetzten, zum 1. Mai 1934 kam es rund um das Denkmal zu zahlreichen Verhaftungen. Ein Jahr später setzten die Nazis dem Spuk ein Ende und sprengten das Denkmal in die Luft, 1941 wurden die Gräber eingeebnet. Die Grabsteine von Liebknecht und Luxemburg überlebten jedoch den Krieg und lagern heute im „Deutschen Historischen Museum“ in Berlins Mitte.

Schon im ersten Jahr nach der Kapitulation, am 13. Januar 1946, fand die erste „Kampfdemonstration“ in Friedrichsfelde statt. Wilhelm Pieck, Präsident der DDR, fertigte persönlich erste Skizzen für den Neubau einer Gedenkstätte an. Mit der Ausführung beauftragt wurden schließlich die Architekten Hans Mucke und Richard Jenner sowie der Gartenarchitekt Reinhold Lingner.

Das neue Mahnmal, als Aufmarschplatz entworfen, wurde nicht mehr an der alten Stelle, sondern im vorderen Teil des Friedhofs errichtet. Millionen zogen von da an Januar für Januar – freiwillig und unfreiwillig – an der versammelten Politprominenz vorbei, für die eine leicht erhöhte Tribüne errichtet worden war. Im Einerlei der wiederkehrenden Parolen nahm die Führung der DDR jedoch nicht wahr, was sich an Unmut unten angestaut hatte. Als Honecker im Januar 1988 an der Spitze des Zuges zum Friedhof marschierte, griff die Stasi in den hinteren Reihen zu: Ausreisewillige, die sich mit dem Rosa-Luxemburg-Zitat „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“ in die Marschsäule einreihen wollten, wurden festgenommen.

Im Westteil der Stadt waren für die beiden Revolutionäre auf Betreiben einer privaten Initiative und gegen den heftigen Widerstand aus Reihen der CDU und FDP im Jahr zuvor zwei Denkmäler errichtet worden: für Rosa Luxemburg am Landwehrkanal, wo Soldaten und Offiziere der Garde- Kavallerie-Schützen-Division ihre Leiche in den Landwehrkanal geworfen hatten; für Karl Liebknecht am nördlichen Ufer des Neuen Sees im Tiergarten, wo mit einer Säule seiner Erschießung gedacht wird. Erstmals hatte 1968 eine Architektengruppe „Aktion 507“ für ein Mahnmal Unterschriften gesammelt – damals noch in der Absicht, den Mies-van-der-Rohe-Bau im Westen wieder aufzubauen. Nicht nur die damals regierende SPD lehnte einen solchen Bau ab – auch Mies van der Rohe verweigerte sich. Er wolle, so ließ ein Freund des Architekten im September 1968 verkünden, im 82. Lebensjahr nicht Dinge wiederholen, „die er 1926 gemacht hat“.

Demonstration am morgigen Sonntag; Beginn: 9 Uhr in Friedrichsfelde, aufgerufen haben die PDS und die Jusos.

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