: Bosnien-Verhandlungszirkus in Bonn
Das heutige Bosnien-Treffen auf dem Bonner Petersberg birgt für Bundesaußenminister Kinkel vor allem Risiken: Die „neuen, bedeutenden Vorschläge“ Kroatiens sind ein alter Hut ■ Aus Bonn Andreas Zumach
Zum erstenmal in seiner Geschichte beherbergt das Gästehaus der Bundesregierung auf dem Petersberg bei Bonn heute Personen, die sich „selbst eingeladen haben“. So jedenfalls die offizielle Version des Auswärtigen Amtes (AA) über die Begegnung zwischen den bosnischen Präsidenten Alija Izetbegović und seinem kroatischen Pendant Franjo Tudjman, die am Nachmittag beginnen und möglicherweise bis Sonntag dauern soll.
Es stellt sich die Frage, warum der inzwischen fast zweijährige bosnische Verhandlungszirkus nach Stationen wie Athen, Wien, Genf, Belgrad, Zagreb und Sarajevo nun auch den deutschen Regierungssitz besucht. Ist es das im Hause Kinkel behauptete „besondere Vertrauen“ der beiden Präsidenten und ihrer Regierungen in Deutschland, das Izetbegović und Tudjman nach Bonn treibt? Ist dem so, so hat die Bundesregierung es zumindest im Falle Kroatiens bislang nicht genutzt, um etwa die verheerende Rolle der Zagreber Führung im bosnischen Konflikt zu beeinflussen. Sowohl die UN-Schutztruppen für das ehemalige Jugoslawien (Unprofor), als auch Beobachter der Europäischen Union (EU) bezeugen seit Monaten, daß mehrere tausend Soldaten der regulären kroatischen Armee auf Seiten der Miliz „Kroatischer Verteidigungsrat“ (HVO) gegen die Armee der Regierung in Sarajevo kämpfen – für Bonn ist dies bis heute nur „angeblich“ der Fall. Nach wie vor verhindert die Bundesregierung im Rahmen der EU und anderen internationalen Zusammenhängen Sanktionen oder andere Formen des Drucks auf Kroatien.
Was immer die Gründe für die Bonner Verhandlungsrunde sein mögen, der Bundesaußenminister geht mit der Veranstaltung ein erhebliches Risiko ein. Auch all die AA-Erklärungen der letzten Tage, nach denen die Bundesregierung lediglich ihre „guten Dienste als Gastgeber“ anbiete, werden nicht verhindern können, daß ein Scheitern der Verhandlungen auch auf die Gastgeber abfärben wird. Und dieses Scheitern ist wahrscheinlich.
Die von Kroatiens Bonner Botschafter Ivan Ilić für heute angekündigten „neuen, bedeutenden Vorschläge“ seiner Regierung, sind nach Informationen von kroatischen UNO-Diplomaten im wesentlichen ein alter Hut: Wiederbelebt werden soll das höchst komplizierte und mit kostspieligen Straßen-, Brücken- und Tunnelbauten verbundene Modell für den Zugang der bosnischen Muslime zur Adria, das die beiden Präsidenten schon bei ihrem Treffen am 14. September 1993 in Genf entwickelt hatten. Der Plan wurde nie fest vereinbart und steht im übrigen im Gegensatz zu der Adria- Zugangsvariante, den die zwölf EU-Außenminister am 22. Dezember in Brüssel in Konkretisierung ihrer „Initiative“ vorgelegt hatten. Diese, nach ihren Erfindern „Kinkel-Juppe-Vorschlag“ genannte Initiative ist laut dem deutschen Außenminister weiterhin gültige Verhandlungsgrundlage.
Außerdem will Tudjman heute in Bonn Detailvorschläge zur Umsetzung der ebenfalls am 22. Dezember zwischen allen drei bosnischen Kriegsparteien vereinbarten, aber zu keinem Zeitpunkt eingehaltenen Waffenruhe machen. Auch sollen auf dem Petersberg die Themen weiterdiskutiert werden, bei denen es bereits Mitte dieser Woche in Wien lediglich zur Vereinbarung über die Einsetzung von Kommissionen reichte. Diese tagten ebenfalls gestern zum erstenmal über die Umsetzung der angeblich von den Kroaten jetzt endgültig akzeptierten Unterstellung der Stadt Mostar unter eine zweijährige EU-Administration, die Rückkehr aller Vertriebenen in die weitgehend zerstörte Stadt sowie über den bereits im September schon einmal angeblich fest vereinbarten, inzwischen aber von Serben und Kroaten wieder in Frage gestellten Zugang der künftigen bosnisch-muslimischen Teilrepublik zum Save-Fluß im Norden.
Sollte es bei den Verhandlungen auch nur den kleinsten Erfolg geben, so dürfte Kinkel diesen am Montag auf dem Brüsseler Nato- Gipfel präsentieren – in der Hoffnung, die anstehende Auseinandersetzung über die Schuld für das Versagen des Westens in Ex-Jugoslawien, die Zukunft der Unprofor-Truppen und das von Frankreich geforderte offensive militärische Vorgehen zu entschärfen.
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