: Rechter Aktionismus an Berlins Unis
■ Schon vor den Studentenparlamentswahlen warteten die Konservativen mit Zeitschriften auf / Sektenkenner warnen
„Eine gewisse Intellektualisierung des dumpfen, plebejischen Affekts“ nannte es der Gießener Politologe Claus Leggewie: Rechte Gruppierungen aus der Grauzone zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus machen seit einiger Zeit an den Hochschulen mobil – und das auch in Berlin.
So kandidierte bei den Wahlen zum Studentenparlament der FU ein „Arbeitskreis Qualifiziertes Studium“ (AQS), der dem „Verein für Psychologische Menschenkenntnis“ (VPM) nahesteht. Zu den Kennzeichen beider Vereinigungen gehört ein ausgeprägt biologisches Menschenbild.
Autoritäre Strukturen und überzogene Aids-Hysterie
So heißt es in der Zeitschrift BAQS-Perspektive, zu allen Zeiten habe es „gesunde und kranke, kräftige und schwache, vollsinnige und geistig retardierte Menschen“ gegeben; niemand dürfe „die Starken“ daran hindern, einen Überschuß an Wohlstand zu produzieren, an dem „dann auch Kranke, Alte, Blinde, Schwachsinnige, Schizophrene, Süchtige, ja sogar Landstreicher, Kriminelle und andere habituelle Leistungsverweigerer“ partizipieren könnten.
In Zürich, wo der VPM seinen Sitz hat, machte die Organisation vor allem durch die Verbreitung einer übersteigerten Aids-Hysterie von sich reden. Intern zeichnet sich der Verein durch autoritäre Strukturen aus und bringt, wie der Berufsverband Deutscher Psychologen feststellte, seine Mitglieder beispielsweise mit den Tonbandmitschnitten der Gruppensitzungen in Abhängigkeit. Als der Spiegel den VPM als „rechte Psychosekte“ bezeichnete, zog dieser – wie nach jeder kritischen Berichterstattung – vor Gericht, erfolglos. Gegen eine Broschüre des Jugendministeriums über jugendgefährdende Sekten jedoch erwirkte der VPM bereits vor Erscheinen eine einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts Köln.
Nicht allein auf gerichtlichem Weg versuchen VPM und AQS Kritiker mundtot zu machen. Als die Asten von FU und TU letzten Sommer zu einer Informationsveranstaltung luden, auf der der Sektenbeauftragte der Evangelischen Kirche, Thomas Gandow, und die Vertreterin der Senatsjugendverwaltung, Monika Schippmann, vor den beiden Gruppen warnten, quittierten deren Anhänger die Kritik mit Gelächter.
Doch der rechten Aktivitäten nicht genug. Die Redaktion der Monatszeitung Junge Freiheit zog jüngst von Freiburg ins „preußische“ Berlin und residiert nun in der Büroetage eines Berliner Geschäftsmannes. Der brandenburgische Verfassungsschutz siedelt das Blatt „nach Thematik und Ideologie in der Übergangszone zwischen rechtem Nationalkonservativismus, der Ideologie der ,neuen Rechten‘ und völkischem Rechtsextremismus“ an. Für die Junge Freiheit versucht seit einiger Zeit am Otto-Suhr-Institut – an dem schon der Dozent Roland Hahn wegen rechter Kontakte in die Schußlinie geraten war – Helge Drescher, selbst OSI-Absolvent, Sympathisanten und Leser zu sammeln. Der OSI-Zeitung sagte er: „Ich habe eine Gruppe von konservativen Studenten hier am OSI, die versuchen, der allgemeinen Richtung des OSI zu widerstehen, vielleicht auch auf lange Sicht mal 'ne kleine Wendung da einzuführen.“ Nachdem er inzwischen Morddrohungen erhalten hatte, riet ihm der Staatsschutz, keine Interviews mehr zu geben.
„Freie Liste“ an der Humboldt-Universität
Auch an der Humboldt-Universität gelang es einer „Freien Liste“ im vergangenen Jahr, zwei Sitze im Studentenparlament zu erlangen. Zunächst wußte niemand so recht, was sich hinter dem Namen verbirgt – als die Gruppe jedoch vor dem Hauptgebäude die Junge Freiheit verteilte, waren letzte Zweifel ausgeräumt. Über mangelnde konstruktive Mitarbeit des Stupa-Mitglieds Tobias Brendler konnten sich die studentischen Parlamentarier zunächst nicht beklagen. Seit November nimmt die „Freie Liste“ ihre Mandate jedoch nicht mehr wahr, für die Wahlen im kommenden Februar kandidiert sie nicht mehr. taz
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