: Verneigung vor Peking mit Blick aufs Geschäft
■ Nach einem Jahr Streit steigt Frankreich wieder voll in den China-Handel ein / Dafür will es nur noch „nichtoffensives Militärmaterial“ an Taiwan liefern
Paris (taz) – Mit einem Kotau vor den alten Herren in Peking hat sich Frankreich die Rückkehr in das China-Geschäft erkauft. Regierungschef Edouard Balladur versicherte schriftlich, daß sein Land keine weiteren Angriffswaffen an Taiwan liefern und die Insel fürderhin als „Provinz“ der Volksrepublik China betrachten werde. Peking revanchierte sich mit der Aufhebung aller Sanktionen. Französische Unternehmem dürfen jetzt wieder „gleichberechtigt“ in China mitbieten.
Ein gemeinsames Kommuniqué besiegelte am Mittwoch abend die Rückkehr zu den guten alten Beziehungen, wie sie General Charles de Gaulle vor dreißig Jahren – am 27. Januar 1964 – als erster Regierungschef eines westlichen Landes aufgenommen hatte. Feiner Unterschied: de Gaulle hatte sich nicht auf die Zugehörigkeit Taiwans zur Volksrepublik Chinas festlegen lassen – zumindest nicht schriftlich – obwohl Peking auch damals die territoriale Zusammengehörigkeit postulierte. Diplomatisch anerkannt hat Frankreich die Insel, auf die sich 1949 die Nationalchinesen unter Tschiang Kai- shek zurückzogen hatten, freilich auch nicht. Paris beschränkte sich, wie auch andere westliche Staaten, auf ein Kulturinstitut in der Hauptstadt Taipeh.
Das Lavieren zwischen Peking und Taipeh gestaltete sich schlagartig schwieriger, als die sozialistische Regierung in Paris im November 1992 einen Vertrag über die Lieferung von 60 Kriegsflugzeugen des Typs Mirage 2000-5 im Wert von knapp 10 Milliarden DM an Taiwan unterzeichnete. Peking machte ein französisches Konsulat zu, schloß Frankreich vom Bau der U-Bahn in Kanton aus und fror weitere Verhandlungen ein. Andere westliche Staaten machen seither das Rennen um lukrative Geschäfte. Frankreich beziffert seine Verluste auf mindestens 2 Milliarden DM. Die konservative französische Regierung sandte gleich nach ihrem Amtsantritt im März vergangenen Jahres Friedenssignale nach Peking. Die chinesische Maximalforderung, den „Fehler der früheren Regierung zu korrigieren“, lehnte Regierungschef Balladur allerdings ab – ein Ausstieg aus dem Mirage-Geschäft mit Taiwan hätte das französische Rüstungsunternehmen Dassault in eine Krise gestürzt. Immerhin schickte er in den vergangenen Monaten mehrere hochrangige Diplomaten zu Sondierungsgesprächen nach Peking. Gleichzeitig verschlechterte sich die Zahlungsmoral des zuvor solventen Kunden Taiwan. Im November vergangenen Jahres bat das Land sogar um einen Preisnachlaß für die 60 Kriegsflugzeuge. Mehrere andere Projekte, darunter der Bau einer Hochgeschwindigkeitsbahn und der Verkauf eines Akw, wurden wegen der taiwanesischen Haushaltsprobleme storniert. Dennoch – und trotz der neuen Verständigung mit Peking – will Frankreich aber weiterhin „nichtoffensives Militärmaterial“ an Taiwan liefern, wie Verteidigungsminister Francois Leotard gestern versicherte.
Unter der 14monatigen „Eiszeit“ zwischen Peking und Paris hatten nicht alle Geschäfte gelitten: Die atomare Zusammenarbeit ging weitgehend ungehindert weiter. Die Rückkehr zu normalen Beziehungen will Frankreichs Regierungschef Balladur denn auch im Schatten eines Atomreaktors feiern. Im März, zur Inbetriebnahme des von Framatome mitgebauten AKW Daya-Bay, erwartet Peking seinen Besuch. Dorothea Hahn
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