: Syriens Fuchs erschleicht sich die Schlüsselposition
■ Der morgige Clinton-Assad-Gipfel soll den Nahost-Friedensprozeß beleben
Amman (taz) – Bill Clinton ist bereits der sechste US-Präsident in der mehr als 23jährigen Amtszeit des syrischen Staatschefs Hafis el- Assad. Und wenn sich die beiden morgen in Genf treffen, wird es Assads vierte Zusammenkunft mit einem amerikanischen Amtskollegen sein. Auch haben bisher alle US-Außenminister die syrische Hauptstadt besucht.
Vertrauter Rahmen also – dennoch hat sich vieles geändert. Mit dem Zerfall des sozialistischen „Lagers“ und der Beteiligung Syriens an der antiirakischen Koalition im Golfkrieg wandelte sich das Assad-Regime vom „schwierigen Gegner“ der USA im Nahen Osten zum „schwierigen Freund“. Der junge US-Präsident, dem man insbesondere in bezug auf den Nahostkonflikt relativ beschränkte Kenntnisse nachsagt, wird in Genf einen der geschicktesten Verhandlungspartner der Welt vor sich haben, der in Geduld geübt ist. Der Startschuß für die israelisch-palästinensischen Verhandlungen in Madrid konnte erst gegeben werden, nachdem Assad und US-Präsident Bush zusammengekommen waren.
Das Osloer Abkommen zwischen Israel und der PLO über Autonomie in Gaza und Jericho gab vielen den Eindruck, vor allem in Israel und den USA, daß Syrien wieder in den Hintergrund treten würde – aber inzwischen ist klargeworden, daß ohne Fortschritte zwischen Israel und Syrien auch der Nahost-Friedensprozeß insgesamt ins Stocken gerät. Eine Unterzeichnung der bereits grundsätzlich vereinbarten israelisch-jordanischen Übereinkunft wird es, so Jordanien, erst geben, wenn auch die israelisch-syrische Front in Bewegung kommt. Und auch in den israelisch-libanesischen Verhandlungen gab es in den letzten Monaten keine Fortschritte – im Gegenteil wuchsen wieder die Spannungen im Südlibanon – weil Syrien auf die libanesische Regierung Druck ausübt, unnachgiebig zu bleiben. Gleichzeitig hat Assad den zehn radikalen palästinensischen Gruppen Unterstützung zugesagt, die das Osloer Abkommen ablehnen und gegen PLO-Chef Arafat Front machen.
All diese Faktoren führten zur Nahostreise des US-Außenministers Warren Christopher im letzten Monat, auf dem das Genfer Gipfeltreffen beschlossen wurde. Assad weiß, daß die USA nach ihrem Scheitern in Somalia, Haiti und auch Bosnien einen Nahost- Erfolg dringend brauchen. Gleichzeitig ist er pragmatisch genug, um zu wissen, daß er die US-Pläne nicht über den Haufen werfen kann. Deswegen will er eine Konfrontation vermeiden, den Preis für sein Stillhalten aber hochschrauben.
Quellen aus der syrischen Hauptstadt Damaskus geben Aufschluß über die Vorschläge, die Assad gegenüber den USA machen könnte. Anstatt wie bisher zuerst den vollständigen israelischen Rückzug aus den besetzten Golanhöhen als Voraussetzung für einen israelisch-syrischen Friedensschluß zu fordern, könnte Syrien jetzt lediglich auf Garantien Israels für einen späteren Rückzug bestehen, heißt es. Falls Clinton und Assad sich in Genf einigen, wäre Syrien zudem bereit, den zehn radikalen palästinensischen Gruppen die Unterstützung zu versagen. Das könnte Israels Ministerpräsident Rabin helfen, ein Abkommen mit Syrien in Israel zu vermarkten.
Assad hat sich gut abgesichert: Mit Jordanien ist vereinbart, daß keiner von beiden ohne den anderen ein Abkommen mit Israel unterzeichnen wird. Dem Libanon wurde garantiert, daß die Forderung nach einem israelischen Rückzug aus den Golanhöhen mit der Forderung nach einem Rückzug Israels aus dem Südlibanon gekoppelt wird, wenn Beirut seinerseits verspricht, kein Separatabkommen mit Israel zu unterzeichnen. Ende letzter Woche lud er schließlich Ägypten und die Golfstaaten zu einer Konferenz nach Damaskus ein, um deutlich zu machen, daß Syrien die Unterstützung auch der US-Verbündeten in der arabischen Welt genießt.
So hat Syrien auch bei einem Mißerfolg in Genf nichts zu befürchten. Anders als Arafat hat es Assad nicht eilig. Er hat seinen Staat, eine innere Opposition braucht er nicht zu fürchten. Was auch immer passiert – er kann seinem Lieblingssport frönen: So lange unter dem Baum sitzenbleiben, bis ihm die Frucht von ganz alleine in den Schoß fällt. Khalil Abied
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen