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„Der wird sich die Zähne ausbeißen“

■ Chaos in der Wirtschaftsbehörde: Chef und Mitarbeiter finden keine gemeinsame Sprache.

„Ich werde mich nicht von alteingesessenen Verfahren und Ritualen beeindrucken lassen. Ich will auch nicht mehr wissen, wie es nicht geht. Ich erwarte harte Fakten und konstruktive Vorschläge.“ Deutliche öffentliche Worte, die der frischgebackene Ex-Manager und Neu-Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus (parteilos, von der Statt Partei nominiert) in der vergangenen Woche an einen ausgesuchten Teil seiner knapp 3000 MitarbeiterInnen richtete. Dabei schimmerte immer wieder jene Spannung durch, die den behördlichen Großbetrieb am Alten Steinweg seit dem Amtsantritt von Rit-tershaus prägt.

Bislang, so ergaben Recherchen der taz, haben Manager und Behörde überhaupt nicht zueinander gefunden. Die Behördenspitze bereitete Rittershaus einen kühl distanzierten Empfang. Motto: „Schau'n wir mal.“ Schon unter Rittershaus-Vorgänger Hans-Jürgen Krupp (wechselte im Dezember an die Spitze der Landeszentralbank) hatten Eigenwilligkeiten und Querschüsse die Arbeitsfähigkeit der traditionell verkrusteten Behörde stark eingeschränkt. Innovationen, von Teilen der mittleren Behördenebene vehement eingeklagt und auch von Krupp gewünscht, blieben im dichten Gestrüpp der oberen Stockwerke des behördlichen Betonklotzes hängen.

Mit konstruktiver Neugier und Arbeitseifer hatte sich Rittershaus vor vier Wochen in die neue Aufgabe gestürzt. „Kapiert“, so eine Mitarbeiterin, „hat er unseren Laden bis heute nicht.“ Rittershaus weiß, daß er sein Credo einer schlagkräftigen neuen Wirtschaftspolitik (Maxime: „wirtschaftlich denken, politisch handeln, kompetent umsetzen“) nur mit einer Kombination von Behördenreform und neuen politischen Inhalten verwirklichen kann.

Auf Mitdenken und Mithilfe seiner knapp 3000 MitarbeiterInnen wartet er bislang vergebens. Ein Mitarbeiter: „Wir sind doch keine Lämmer, die sich selbst zur Schlachtbank führen.“ Auf Deutsch: Konstruktive Vorschläge gingen ans Eingemachte – davor schrecken Behördenmitarbeiter selbstredend zurück.

Rittershaus wiederum ist es bislang nicht gelungen, die Stellräder und Schräubchen auszumachen, derer er sich bedienen müßte, um Bewegung in die erstarrte Maschinerie zu bringen. Verantwortlich dafür sind nicht allein die destruktiven Machenschaften einiger weniger Behördenmitarbeiter, sondern vor allem elementare gegenseitige Kommunikationsprobleme. Beispiel: Rittershaus ordert: „Beschaffen Sie mir mal das!“ Gegenantwort: „Dafür haben wir aber keinen Haushaltstitel ...“

Nicht wenige prophezeien dem Manager und seiner Behörde denn auch ein kollektives Scheitern. Eine Insiderin: „Der wird sich an unserem Laden die Zähne ausbeißen.“ Nur einer hat den Optimismus noch nicht verloren. Handelskammer-Präsident Klaus Asche, Ziehvater der rot-grauen Koalition, lobt Rittershaus mit einem fast schon peinlichen Vergleich: „Jedesmal, wenn ich den Tiger von der Esso-Reklame sehe, muß ich an Rittershaus denken. Sprungbereit, dynamisch.“

Der so frühzeitig Gelobte hält sich mit Urteilen und Stellungnahmen zurück. Er sondiert noch. Erstes Ergebnis: Der Behördenneuling ersetzte den hochintelligenten, hochproblematischen und, wie Mitarbeiter kritteln, leicht narzißtisch veranlagten Staatsrat Claus Noé durch den getreuen Voscherau-Vasallen Wolfgang Prill. Ein wirtschaftspolitisches Aktionsprogramm mit seiner persönlichen Handschrift wird Rittershaus frühstens in einigen Wochen vorlegen.

Florian Marten

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