: Verabschiedung im Geist des Kalten Krieges
■ Senat hat Berührungsängste mit ehemaligen Sowjettruppen beim Abzug der Alliierten / Schmuddelabschied für die Russen, Festparade für West-Alliierte
Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) tritt für eine Sonderbehandlung der ehemaligen Sowjettruppen bei der Verabschiedung der Alliierten im Frühjahr und Sommer dieses Jahres ein. „Die Freiheit unserer Stadt und ihre Wiedervereinigung“, heißt es in einem Schreiben Diepgens an die Bürgermeister der Bezirke, „stehen in einem untrennbaren Zusammenhang mit der sowjetischen Berlin-Blockade und der alliierten Antwort: der Luftbrücke.“ Diepgen unterschlägt nicht nur die Rolle der Sowjetstreitkräfte bei der Befreiung Berlins im April 1945, sondern grenzt sie posthum aus der Gruppe der vier alliierten Siegermächte aus: Statt der Westgruppe der Truppen der ehemaligen Sowjetarmee (WGT) soll die Bundeswehr bei den geplanten Feierlichkeiten durchs Brandenburger Tor ziehen.
Bei den sogenannten „2+4- Verhandlungen“ war 1990 vereinbart worden, daß der Abzug der alliierten Truppen aus Berlin bis spätestens zum Jahresende 1994 abgeschlossen sein muß. Die russischen Streitkräfte werden die Stadt bereits zum 31. August 1994 verlassen haben. Wie aus einem Schreiben Diepgens vom November 1993 hervorgeht, solle es keine gemeinsame Verabschiedung von WGT und Alliierten geben, „sondern eine abgestufte, und zwar sowohl zeitlich als auch hinsichtlich der Symbole“. Im Klartext: Die russischen Streitkräfte werden mit einem „Gedenkzeremoniell an den Ehrenmälern Treptow und Tiergarten voraussichtlich am 3. August“ zum Teufel gejagt, während die Verabschiedung der Westalliierten erst im September über die Bühne gehen sollen. Ziel der Feierlichkeiten sei es, so Diepgen, den Berlinern zu ermöglichen, sich von ihren militärischen Freunden zu verabschieden.
Die Abschiedsparade soll Anfang September auf der Route der ehemaligen Westalliierten-Paraden, „allerdings unter Einbeziehung des Brandenburger Tors und der Linden“, stattfinden. Für die Abschlußveranstaltung am Abend „in Anlehnung an Elemente der früheren Polizeischau, des Tattoo o.ä.“ ist das Olympiastadion vorgesehen.
Bei den Bezirksbürgermeistern stieß die unterschiedliche Behandlung der ehemaligen Sowjettruppen offenbar mehrheitlich auf Zustimmung. Einzig der Reinickendorfer Bürgermeister Dzembritzki (SPD) fürchtete „Peinlichkeiten“, die durch die Beteiligung der Bundeswehr und die Nichtbeteiligung der WGT entstehen könnten. Dzembritzki wies außerdem darauf hin, daß das Thema Wohnungsleerstand auf den ehemaligen alliierten Liegenschaften nach wie vor nicht zufriedenstellend gelöst sei. Uwe Rada
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