: Auch mit Waffengewalt
■ betr.: Krieg in Bosnien-Herzego wina
[...] In der gesamten Republik Bosnien-Herzegowina findet die größte ethnische Säuberung auf europäischem Gebiet seit Beendigung des Zweiten Weltkrieges statt. Angesichts der Tatsache, daß die Zivilbevölkerung auf ein Niveau gezwungen wird, das keiner menschenwürdigen Existenz entspricht, wäre ein Abzug der UNO- Truppen aus dem früheren Jugoslawien nicht nur eine Ermutigung für den aggressiven Nationalismus, sondern auch eine Niederlage für die gesamte zivilisierte Welt.
Das Gerede vom „friedlichen Lösen des Konflikts“ entpuppt sich immer mehr als pure Heuchelei. Zum Anfang des neuen Jahres bleibt nicht mehr als die vage Hoffnung, daß die Vereinten Nationen, insbesondere die Staaten der Europäischen Union, endlich ihre Gleichgültigkeit gegenüber den Massakern und Zerstörungen aufgeben und die UNO-Truppen in die Lage versetzen, mehr zu tun, als sich auf die Totenwache an den neuen Grenzen zu beschränken, die Aggressoren gezogen haben. Sie müssen mit geeigneten (einschließlich militärischen) Mitteln die ethnischen Vertreibungen unterbinden, Schutzzonen für die Bevölkerung in den Städten schaffen und die Hilfslieferungen dorthin sichern. Des weiteren muß unter der Voraussetzung, daß Demokratie, Menschen- und Minderheitenrechte im Land voll gewahrt sind, Restbosnien ein Beitritt zur Europäischen Union angeboten werden. Die unzähligen Vertriebenen müssen die europäische Staatsbürgerschaft erlangen können.
Aber nicht nur der Balkan ist ein Pulverfaß. Über hundert potentiell gewaltsame ethnonationale und religiöse Konflikte gibt es gegenwärtig. Zahlreiche Staaten, ganze Regionen sind in Gefahr, sich politisch aufzulösen. Dieser Flächenbrand wird sich weiter ausbreiten, wenn die internationale Politik nicht bereit ist, eine „Weltinnenpolitik“ zu gestalten, deren erstes Ziel es ist, die Menschenrechte zu verteidigen. Denn wer Unrecht lange geschehen läßt, bahnt dem nächsten den Weg!
[...] Nach dem Ende der Blockkonfrontation wird es Zeit, daß die Vereinten Nationen ihrem eigenen Anspruch endlich gerecht werden. Humanitäre Interventionen sind dort notwendig, wo – wie im früheren Jugoslawien – massive Menschenrechtsverletzungen und ein erhebliches Leiden der Zivilbevölkerung zusammentreffen. Militärische und nichtmilitärische Elemente der Friedenssicherung können dabei nicht strikt getrennt werden. Zu humanitären Interventionen gehören sowohl friedenerhaltende (Blauhelmeinsätze, zum Beispiel Beobachtung, Gewährleistung eines Waffenstillstands) wie auch friedenschaffende Einsätze, also auch Kampfeinsätze.
Die Bundesrepublik Deutschland darf dabei nicht abseits stehen, sondern muß sich ihrer Verantwortung für Frieden und Sicherheit innerhalb der Völkergemeinschaft stellen. Trotz oder auch gerade wegen der unvergleichlichen historischen Schuld Deutschlands kann es keine guten Gründe geben, eine Beteiligung von Bundeswehrsoldaten an internationalen Interventionen gegen offensichtliche Aggressoren oder gar gegen faschistische Expansionisten grundsätzlich auszuschließen. Thomas Schlingmann,
Mitglied im Juso-Landesvor-
stand Bremen
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