: Somalia sucht eine Zukunft ohne UNO
Während die Vereinten Nationen ihr Somalia-Engagement immer weiter zurückschrauben, wollen die Clanältesten die Gelegenheit nutzen, ihre Warlords an den Rand zu drängen ■ Von Dominic Johnson
Berlin (taz) – Der UNO-Sicherheitsrat soll heute Beratungen über die Zukunft der UNO-Mission in Somalia (Unosom II) aufnehmen, um zu entscheiden, was nach Ende März passieren soll, wenn alle Blauhelme aus den USA und Europa abgezogen sein werden. Diskutiert wird ein vor einer Woche veröffentlichter Bericht des UNO-Generalsekretärs Butros Ghali. Er empfiehlt eine Reduzierung der gegenwärtig 27.000 Mann betragenden Unosom- Truppe auf 16.000 Soldaten plus mit logistischen Aufgaben betraute „Unterstützungskräfte“ sowie eine Einengung des Unosom- Mandats.
Butros Ghali entwirft in seinem Bericht drei Optionen: die Weiterführung der UNO-Mission im bisherigen Umfang; eine Verkleinerung auf 16.000 Mann; und eine Reduzierung auf nur 5.000 Soldaten. Da, so der Generalsekretär, für die erste Option zuwenig Soldaten zur Verfügung stünden und andererseits die Unsicherheit in Somalia zunehme, favorisiere er die zweite Option.
Die geschrumpfte Truppe solle zwei Kernpunkte ihres bisherigen Mandats aufgeben: die Ermächtigung, somalische Milizen „mit Zwang, wenn nötig“ (Ghali) zu entwaffnen, sowie die Fähigkeit, sich gegen Angriffe selbst zu verteidigen. Hauptaufgabe der Blauhelme sei der Schutz von Häfen, Flughäfen, Hilfskonvois und Flüchtlingen. Nicht mehr die unkontrollierbare Hauptstadt Mogadischu solle Schwerpunkt der UNO-Aktivitäten sein, sondern die sichereren südlichen Städte Kismaju und Baidoa.
In seinem Bericht klagt Butros Ghali über mangelnde Unterstützung seitens der UNO-Mitglieder. Zwar hat der US-Kommandeur in Somalia, General Thomas Montgomery, versichert, „noch eine Zeitlang“ würden 1.800 bis 1.900 US-Marineinfanteristen auf Kriegsschiffen vor Mogadischu bleiben. Aber auf Anfragen nach Geld hat es laut Butros Ghali bisher „keine einzige positive Antwort“ gegeben. Auch Truppenzusagen gibt es bisher nur von fünf Ländern: Ägypten, Indien, Malaysia, Nigeria und Pakistan.
Diese Truppenzusammensetzung scheint kaum geeignet, den geringen Respekt der somalischen Kriegsherren vor der UNO zu erhöhen. Dazu kommt, daß ausgerechnet die Pakistanis, die sich bei den Kämpfen in Mogadischu im letzten Sommer als besonders schießwütig hervorgetan hatten, neue Waffen von den abziehenden US-Amerikanern bekommen sollen.
Die Situation der UNO ist um so prekärer, als die Weltorganisation inzwischen im politischen Leben Somalias kaum noch eine Rolle spielt. Die letzten UNO- Friedensgespräche für Somalia waren im Dezember in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba geplatzt. Seitdem hat es parallel zwei Verhandlungsansätze unter Somalis gegeben: In Kenia weilten zum Zwecke von Gesprächen General Aidid sowie sein Hauptrivale Ali Mahdi und der Präsident der abgespaltenen nordsomalischen Republik Somaliland, Mohammed Egal. In Mogadischu erzielten die Ältesten verschiedener Clans jetzt eine prinzipielle Einigung auf Frieden, die von Beobachtern hoffnungsvoll kommentiert wurde.
Schon im vergangenen Herbst hatten Gespräche zwischen verschiedenen Subclans der Hawiye begonnen – jener Clan, dem sowohl Aidid wie Ali Mahdi angehören. Älteste von Aidids Subclan der Habr Gedir, Mahdis Subclan der Abgal sowie von anderen Gruppen wie beispielsweise die Hawadle hatten sondiert, ob unabhängig von den Milizenführern eine auf den traditionellen Strukturen beruhende Verständigung herbeigeführt werden könnte.
Die abschließende Gesprächsrunde fand Ende letzter Woche in einem Hotel von Nord-Mogadischu statt und wurde von Imam Mohamoud Omar geleitet, Ältestenführer aus der zentralsomalischen Provinz Hiran um Belet Huen, der als Clanoberhaupt sowohl der Habr Gedir wie auch der Abgal dieser Region gilt.
Geeinigt haben sich die nahezu 200 Ältesten darauf, nach dem Abzug der US-Soldaten Ende März keine Kämpfe zwischen ihren Clans ausbrechen zu lassen und Abweichler mit dem islamischen Recht zu bestrafen. Das Gesprächsforum der Clanführer soll als Grundlage eines politischen Prozesses dienen, der später einmal in eine Regierungsbildung münden könnte.
Offenbar rechnen die Clans nicht damit, daß die Warlords Aidid und Mahdi es noch in ihrer Macht haben, diesen Versöhnungsprozeß zu stören. Der bei den Gesprächen anwesende italienische Botschafter in Somalia, Mario Scialoja, sprach am Sonntag von einem „Durchbruch“. Gegenüber der taz meinte der somalische Exilpolitiker Nur Weheliye, der am Zustandekommen der Gespräche beteiligt war, Aidid werde sich der Vereinbarung beugen müssen: „International hat er zwar durch seine Konfrontation mit der UNO Prestige gewonnen, aber nicht in Somalia. Die USA haben ihn geschwächt. Die Leute, die ihn unterstützten, haben viel gelitten, sein Clan hat viele Menschen und Waffen verloren. Er kann politisch agieren, man wird ihn nicht ausschließen. Aber seine Chancen sind nicht sehr groß.“
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