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Vorerst keine Nato-Angriffe in Bosnien

■ Islamische Staaten fordern erneut Luftangriffe / UN-EU-Vermittler pessimistischer vor Beginn ihrer neuen Initiative / Heute Verhandlungen in Genf

Genf (taz) – UNO-Generalsekretär Butros Ghali wird zunächst keine Luftangriffe gegen serbische Stellungen in Bosnien anordnen. Eine entsprechende Entscheidung, die Ghali noch gestern abend offiziell bekanntgeben wollte, fiel nach Informationen der taz am Nachmittag bei Beratungen des UNO-Generalsekretärs mit seinem Sonderbeauftragten für Ex-Jugoslawien, Yasushi Akashi, und UNO-Vermittler Thorvald Stoltenberg.

Nach Konsultationen mit den überwiegend französisch-britisch- kanadischen Unprofor-Kommandeuren in Bosnien hatte Akashi sich in einem Bericht an Ghali gegen die vom Nato-Gipfel vergangene Woche erwogenen Luftangriffe auf serbische Stellungen um Sarajevo, den Flughafen von Tuzla sowie bei Srebrenica ausgesprochen. Luftangriffe sollen nur im Falle „massiver Angriffe“ der Serben auf Einrichtungen der Unprofor oder internationaler Hilfsorganisationen erfolgen. Gestern mittag hatte der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić seine Truppen angewiesen, derartige Angriffe unter allen Umständen zu unterlassen.

Bei einem Treffen Ghalis mit den acht Außenministern der Islamischen-Konferenz-Organisation (ICO) hatten diese ihn im Vorfeld der heute in Genf beginnenden neuen Runde der Bosnien-Gespräche erneut aufgefordert, Luftangriffe auf serbische Stellungen in Bosnien anzuordnen. Der Generalsekretär der Islamischen Konferenz, Algabid, forderte die europäischen Staaten auf, ihren Widerstand gegen eine Aufhebung des Waffenembargos gegen Bosnien aufzugeben. Außerdem kritisierte er den ursprünglich von Deutschland und Frankreich initiierten Vorschlag zur Lockerung der gegen Serbien verhängten Wirtschaftssanktionen als „verfrüht“. Algabid kritisierte auch das UN- EU-Vermittlerduo, das seine Verhandlungsstrategie von Anfang an auf die Teilung Bosniens ausgerichtet hätte.

Bei einer Sitzung in der Nacht zum Montag hatten die ICO-Außenminister auch einen Aufruf zum Wirtschaftsboykott gegen die westlichen Staaten – allen voran Großbritannien – erwogen, die sie als hauptverantwortlich für die Teilungspolitik betrachten. Nach Informationen der taz wird die für gestern abend erwartete ICO-Erklärung jedoch keinen ausdrücklichen Boykottaufruf enthalten. Eher ist damit zu rechnen, daß auf Basis interner Absprache unter den 53 ICO-Staaten künftig bestimmte Aufträge, wie der Bau eine neuen Brücke über die Dardanellen, nicht, wie zunächst geplant, an Firmen aus Großbritannien, sondern an Unternehmen aus anderen Staaten vergeben werden.

Schon vor Beginn der neuen Bosnien-Verhandlungsrunde äußerten sich die beiden Vermittler von UNO und EU, Stoltenberg und David Owen, äußerst skeptisch. Im Norden und Osten Bosniens führten serbische Truppen erneut schwere Angriffe auf Stellungen der überwiegend muslimischen bosnischen Regierungsarmee. Diese setzten ihre Offensive gegen kroatische Milizen in Zentralbosnien fort. Sarajevo lag weiterhin unter heftigem serbischem Beschuß. Was nutzt es da, wenn in Genf auch die Präsidenten Kroatiens und Serbiens, Franjo Tudjman und Slobodan Milošević, erwartet werden? Andreas Zumach

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