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Ohne Nachwuchs geht nix!

■ Dem Schöneberger Copyladen-Center wurde der Sonntagsdienst verboten / Auch Behörden stehen auf dem Schlauch / Keine Ausnahme / Kunden protestieren

Wenn die Senatsverwaltung ihre Aufträge künftig auch weiterhin am Wochenende erledigt haben will, müssen sich die sechs BetreiberInnen des Copyhauses etwas einfallen lassen. Entweder sie sorgen in Nullkommanichts für hausinternen Nachwuchs, oder sie adoptieren Studenten. Grund: Eine Bestimmung des Ladenschlußgesetzes, die in ihrer Sinnigkeit nur aus der Zeit der Vollbeschäftigung stammen muß, besagt, daß nur Familienangehörige an Sonn- und Feiertagen im eigenen Geschäft arbeiten dürfen. Sieben Jahre lang betrieb der Inhaber des Copyhauses mit seinen beiden Geschwistern, deren Verlobten und einer Cousine sein Kopiergeschäft in der Grunewaldstraße in Schöneberg. Vor allem sonntags war die Kundenschar an einigen Händen nicht mehr abzuzählen. Es hatte sich bei Schülern, Lehrern und Studenten rumgesprochen, daß der Laden mit seinen Serviceangeboten auch an Feiertagen zwischen 14 und 16 Uhr geöffnet ist.

Und nicht nur Akademiker nebst Nachwuchs wußten die ungewöhnliche Öffnungszeit zu schätzen. Auch Abgeordnete bis hin zum Regierenden Bürgermeister ließen ihre Arbeiten im unweit vom Abgeordnetenhaus gelegenen Copyhaus erledigen. Großaufträge von verschiedenen Senatsverwaltungen, samstags in Arbeit gegeben und bis montag früh zu erledigen, waren keine Seltenheit.

Um so erstaunlicher war für die Betreiber des Copyhauses der Anruf vom Landesamt für Arbeitsschutz und technische Sicherheit: Die sechs familiär Verbundenen wurden kurz vor Weihnachten ermahnt, bloß keine Angestellten an den Feiertagen arbeiten zu lassen. Einen Grund für die Ermahnung wollte die der Senatsverwaltung für Soziales unterstehende Behörde nicht nennen.

Anlaß für die sechs, ihre kontinuierlich zu leistende Sonntagsarbeit zu überdenken. Wenn sie schon dauernd in Feiertagsschicht umfangreiche Behördenaufträge erledigten, dann sollte die Senatsverwaltung ihnen gefälligst auch im Rahmen einer Ausnahmeregelung die Einstellung von Studenten oder Arbeitslosen an Sonn- und Feiertagen genehmigen. Das Landesamt für Arbeitsschutz dachte gar nicht daran und verweigerte eine entsprechende Ausnahmegenehmigung. Begründung: Es bestünde kein öffentliches Interesse am Sonntagsbetrieb des Copyhauses.

Inhaber, Geschwister, Verlobte und Cousine ließen den Laden daraufhin am Sonntag zu. Gleich der erste kopierfreie Sonntag, den die Familienmitglieder nach etlichen Jahren genossen, führte zu einem Aufruhr vor dem Copyhaus – und zu einer Anzeige gegen Unbekannt. Wegen öffentlicher Ruhestörung. Die Sonntagskundschaft hatte ihrer Empörung gegen die Schließung Luft gemacht und heftig gegen die Scheiben des Copyhauses getrommelt.

Die Betreiber sammeln in den Kopierläden Unterschriften für die Öffnung des Copyhauses an Sonn- und Feiertagen. Bis jetzt haben sich etwa 500 Kunden in die ausliegenden Listen eingetragen. Peter Lerch

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