piwik no script img

Strahlenskandal in Hamburg weitet sich aus

■ Weitere Krebspatienten im Eppendorfer Universitätsklinikum falsch therapiert

Hamburg (taz) – Nur wenige Wochen der Ruhe waren der Hamburger Universitätsklinik Eppendorf (UKE) vergönnt: Seit Montag sorgt sie wieder für Schlagzeilen. Es sind die Gespenster der Vergangenheit, die das UKE beuteln, oder besser: ein Gespenst – der inzwischen suspendierte Chefarzt der Strahlentherapie, Klaus- Henning Hübener. Neue Sachverständigengutachen deckten nun auf, daß die Zahl der von ihm in den Jahren 1986 bis 90 verstrahlten Krebspatienten sehr viel größer ist als bisher angenommen.

Eine „überdurchschnittlich hohe Zahl an schweren Nebenwirkungen“ und „viel Physik und Technik, wenig Arzt“ attestierten die Experten nach der Durchsicht von 28 Akten ehemaliger Prostatakrebspatienten Hübeners, außerdem eine „bemerkenswerte Unsicherheit bei Indikationsstellung und Dosiswahl“. Insgesamt sind es 184 Prostatakranke, die auf diese Weise von Hübener behandelt worden sind.

184 Patienten, die jetzt die Stadt auf Schadensregulierung verklagen können. Sie könnten sich zu den 220 Fällen gesellen, die dies bereits getan haben. Denn der Skandal um die Verstrahlung von Krebskranken durch Hübener war schon im vergangenen Sommer ruchbar geworden. Damals hatte man jedoch gehofft, daß nur Patienten mit Enddarmkrebs verstrahlt worden seien. Nach wochenlangen Vertuschungsaktionen des Senats war die Überbestrahlung dieser Krebskranken im Herbst schließlich durch externe Gutachter bestätigt worden – auch hier handelt es sich um über hundert Patienten. Sie leiden teils noch heute unter höllischen Schmerzen. Wieviel Menschen an den Folgen der Fehlbehandlung gestorben sind, ist derzeit noch unklar. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Chefarzt wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge. Ein Ende ist nicht in Sicht: Nun werden im UKE alle Akten von Krebskranken aus den Jahren 86 bis 90 auf Fehlbehandlungen hin untersucht. Sannah Koch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen