: Butros Ghali: Bosniens Himmel bleibt Nato-frei
■ Unprofor-General Cot wahrscheinlich zum 1. April arbeitslos / Genfer Bosnien-Verhandlungen ohne Anzeichen für Fortschritte begonnen
Genf (taz) – UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali wird die Nato vorläufig weder zu Luftangriffen gegen die serbischen Stellungen bei Sarajevo noch bei Srebrenica oder dem für Hilfsflüge dringend benötigten Flughafen Tuzla auffordern. Die Entscheidung fiel am Montag nachmittag bei Beratungen mit seinem Sonderbeauftragten für Ex-Jugoslawien, Yasushi Akashi. Um für das serbische Lager den Eindruck aufrechtzuerhalten, die Option „Luftangriffe“ werde weiterverfolgt, beauftragte Ghali Akashi mit der „Ausarbeitung weiterer Pläne“ und sandte den für die peace keeping missions der UN zuständigen Untergeneralsekretär Goulding nach Brüssel zu Unterrichtung von Nato-Generalsekretär Wörner.
Der Runde lag ein bisher unter Verschluß gehaltener Bericht Akashis vor, den dieser nach Konsultationen mit den Kommandeuren der UN-Schutztuppen für Ex- Jugoslawien (Unprofor) in der letzten Woche erstellt hatte. Dort spricht sich Akashi gegen Luftangriffe aus. Angriffe gegen die serbischen Stellungen um Sarajevo hatten bereits beim Brüsseler Nato- Gipfel als unwahrscheinlich gegolten, da nach Ansicht fast aller 16 Nato-Regierungen die von ihnen im August letzten Jahres zur Voraussetzung gemachte „Strangulierung“ der bosnischen Hauptstadt nicht vorliegt. Im Falle Tuzlas würden zudem Bombardierungen die Öffnung des dortigen Flughafens nicht garantieren, könnten aber zu Vergeltungsschlägen auf den Flughafen Sarajevos führen. Der Akashi-Bericht empfiehlt folglich Bombardierungen lediglich im Falle massiver militärischer Attacken gegen die Unprofor.
Bereits am Montag morgen hatte der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić seinen Truppen einen Befehl erteilt, derartige Angriffe unter allen Umständen zu unterlassen. Bezüglich Srebrenicas sagte die politische Führung der bosnischen Serben inzwischen zu, die seit Wochen anhaltende Blockade von 180 kanadischen Blauhelmen aufzugeben und deren seit Ende Dezember vorgesehenen Ersatz durch niederländische Truppen bis spätestens Ende Februar zu ermöglichen. Einzige Bedingung: Die Niederländer dürfen keine schwereren und effektiveren Waffen mitbringen, als die Kanadier mit nach Hause nehmen.
Der Unprofor-Oberkommandierende für ganz Ex-Jugoslawien, der französische General Jean Cot, wird seinen Posten voraussichtlich zum 31. März aufgeben. Cot hatte vor zwei Wochen in einer von seinem politischen Vorgesetzten Akashi nicht autorisierten Stellungnahme erklärt, die Blauhelme hätten „die militärische Offensive“ gegen die bosnischen Serben vorbereitet und warteten nur noch auf den Einsatzbefehl aus New York. Cot hatte zudem unter Umgehung Akashis direkten Kontakt zu Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates aufgenommen. Ghalis Genfer Sprecherin dementierte gestern zwar Cots „Entlassung“. In Genf, im New Yorker UNO-Hauptquartier sowie in der französischen Regierung wird jedoch davon ausgegangen, daß Ghali den Vertrag Cots nicht mehr verlängern wird. Ohnehin plant Cot nach bislang von ihm nicht dementierten Berichten eine Kandidatur bei den Wahlen zum Europaparlament – auf einer gemeinsamen Liste mit Frankreichs ehemaligem Minister für humanitäre Angelegenheiten, Kouchner. Andreas Zumach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen