Lady Shakespeare?

■ Winterhuder Fährhaus: Hille Darjes spielt Virginia Woolf

Als Virginia Woolf 1928 gebeten wurde, einen Vortrag über das Thema „Frauen und Literatur“ zu halten, fand sie in dem zentralen Satz „eine Frau muß Geld haben und ein Zimmer für sich allein, wenn sie schreiben will“, eine schlichte Wahrheit zu einem grundlegenden Dilemma. Wie modern ihr Essay Ein Zimmer für sich allein, zu dem sie den Vortrag anschließend verarbeitete, heute noch ist, zeigt die Schauspielerin und einstige Mitbegründerin der Bremer Shakespeare-Company Hille Darjes in ihrem zweistündigen, spannungsreich gestalteten Solo-Programm in der Komödie Winterhuder Fährhaus.

Dazu schlüpft Darjes in die Rolle der Vortragenden Woolf. Am Pult stehend, entwickelt sie frei gesprochen ihre, bei aller Ernsthaftigkeit des Themas, durchaus humorvollen Bemerkungen zu der Frage, warum denn Frauen so lange die Möglichkeit professionellen Schreibens verwehrt war. Und manche, der von ihr sarkastisch eingeführten Begründungen wirken wie heute in der Eckkneipe gehört: „Mr. John Langdon Davies warnt Frauen“, zitiert Hille Darjes alias Virginia Woolf einen männlichen Zeitgenossen, „daß, wenn Kinder aufhören, begehrenswert zu sein, Frauen ganz und gar aufhören, vonnöten zu sein“.

Interessant findet Hille Darjes, die seit über einem Jahr mit ihrer gekürzten Fassung des Essays unterwegs ist, „daß sich auch heute nur wenige Männer von Virginia Woolfs Roman angesprochen fühlen“. Und auch Virginia Woolf war sich bewußt, daß es ein zeitloses Thema ist, „daß ein Mann in seiner Kenntnis der Frauen schrecklich gehemmt und bruchstückhaft ist, so wie Frauen in ihrer Kenntnis der Männer“.

Das in Blau gehaltene Bühnenbild, vom Kostüm über die Wasserflasche bis zum Katheder, schafft diesen Sätzen eine gewünschte räumliche und zeitliche Insel. Die feinfühlige und unaufdringliche Art des schauspielerischen Vortrags in der Regie von Hans Helge Ott verhilft Thesen und Fragen wie „Warum war Shakespeare keine Frau?“ zum Charakter einer fesselnden Reise in die offensichtlichen Absurditäten der Literatur- und Mensch-heitsgeschichte.

Hille Darjes schließt die Aufführung mit der Erinnerung an eine weitere bemerkenswerte Frau, Aung San Suu Kyi, die 1991 den Friedensnobelpreis für ihren gewaltlosen Widerstand gegen das Militärregime Burmas bekam. „Sie hat“, so Hille Darjes, „seit vier Jahren ein Zimmer für sich allein“, denn sie steht unter Hausarrest. So bleibt neben materieller und intellektueller Freiheit, wie sie Virginia Woolf schon 1928 für Frauen forderte, auch das Sich-frei-bewegen-dürfen immer noch ein zu erkämpfendes Gut.

Simone Ohliger Do-Sa 19.30, So 18 Uhr, bis 30.1.