: Stahl-Monopoly mit gepumpter Kohle
■ Hamburger Stahlwerke kommen Hamburg teuer zu stehen / Senat sucht Investor
Nicht einmal bunte Filzstifte hatten die beiden Herren der Beratungsfirma McKinsey mitgebracht, als sie gestern per Overhead-Projektor der Kreditkommission der Hamburger Bürgerschaft ihre Analyse der Hamburger Stahlwerke (HSW) vorstellten. So erstrahlte in Schwarz, was eigentlich dunkles Tiefrot erfordert hätte: Die Hamburger Steuerzahler sind dran. Mindestens 130 Millionen Mark, so rechneten die McKinseys vor, muß die Stadt für ihr stahlindustrielles Abenteuer bezahlen.
Bloß 130 Millionen Mark sind es allerdings nur dann, wenn sich eine Fülle problematischster Annahmen tatsächlich zum Guten wenden: Hamburg muß einen Investor finden. Die HSW müssen ihre Produktion erfolgreich auf billigen Baustahl umstellen und hart rationalisieren. Die Preise für Baustahl dürfen nicht weiter fallen. Eine Marktanalyse über künftige Dumping-strategien von HSW-Konkurrenten aus Tschechien, Polen oder Ostdeutschland legten die Berater vorsichtshalber nicht vor.
Bleiben die HSW bei ihrer gegenwärtigen Produktstrategie (mal Billig-, mal Edelstahl), dann werde die Stadt 1996 mit 200 Millionen Mark in der Kreide stehen, meint McKinsey. Auf 200 bis 250 Millionen Mark Risiko bezifferten sie die Kosten einer sofortigen Stillegung. Dieser Betrag aber, so erläuterten Finanzexperten gegenüber der taz, ist wohl in jedem Fall fällig.
Findet sich - unwahrscheinlich genug - tatsächlich ein Stahlkonzern, der mehrheitlich bei den HSW einsteigt, wollte der die HSW praktisch schuldenfrei bekommen. Dazu müßte die Stadt ihre Bürgschaften von fast 200 Millionen Mark real bezahlen. Falls es die EG erlaubt, direkt (als Subvention) oder auf dem Umweg über einen Konkurs, wie bei der „Rettung“ von Arbed Saarstahl und der Klöcknerhütte in Bremen vorexerziert. Kurz: Egal ob sofortiges Aus für die HSW oder vorläufige Rettung: Die Stadt muß zahlen.
Der HSW-Einsatz des Hamburger Senats betrug 1983 60 Millionen Mark, 1992 waren es bereits 85 Millionen. Danach ging es Schlag auf Schlag: Um dieses Geld zu retten, stockte der Senat seine Bürgschaften noch einmal auf. Im Dezember 1993 lag das Risiko bereits bei ca. 150 Millionen Mark. Heute, drei Wochen später, sind es, realistisch gerechnet, bereits über 200 Millionen. Stadtchef Voscheraus Begründung: Um einen Investor zu finden, müsse man die HSW eben noch vorläufig weiter durchfüttern. Das ist schon beim Monopoly meist ein Fehler: Ein Spielende mit Akzeptanz des Verlustes ist fast immer bekömmmlicher als ein verzweifeltes Durchhalten mit immer höheren Schuldenbergen. Auch die McKinseys mußten einräumen, daß ein Weiterbetrieb der HSW keine Garantie für Risikominderung bedeute.
Bei der HSW-Belegschaft wächst mittlerweile die Unruhe. IG-Metall-Betriebsrat und Geschäftsführung sorgen sich bereits heftig um die Stimmungslage auf der Betriebsversammlung am Freitag. Filz auf Kosten der Kumpel und Mißwirtschaft von Senat und Management lauten die Vorwürfe.
Florian Marten
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