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IA Funkturmschwänze

■ „Alles dran nebenan“ vom Regional-TV IA Brandenburg

„Wo sind denn meine Mädels?“ ist der erste vollständige Satz des Moderators Sven Blümel, neunundzwanzig, bekannt als Stimme aus dem Off beim Sat.1-„Glücksrad“. Der Mann hat Germanistik studiert und war mal bei der Marine, ist also wassertauglich. Das ist günstig bei einer Sendung, die man schon mal mit einer Frau im Arm und den Schuhen im Wasser abmoderieren muß.

Wir befinden uns in der Live- Aufzeichnung von „Alles dran nebenan“, der ersten selbstproduzierten Gameshow des neuen Fernsehsenders „für Berlin und Brandenburg“, IA. In der Berliner Diskothek „Pleasure Dome“ versucht Ulrich Schamonis Lokal-TV, sich frivol zu geben: Weil in der IA- Welt jedermann scharf darauf ist, die dralle Nachbarin endlich nackt am Fenster zu erspähen, sind die IA-Späher raus in die Landdiskos gefahren und haben Nachbarinnen angemacht: So kam auch Katrin in die Sendung, die nun mit tiefem Ausschnitt und dem Schild „Katrin“ überm Busen mit fünf anderen Frauen neben Sven Blümel sitzt.

Als Punkte teilt der Moderator Lollis aus, gern auch Lutscher genannt. In einem Spiel darf Katrin eine Glasscheibe „abschlecken“ oder einen IA-Aufkleber aus einem Terrarium mit Küchenschaben holen. Dann steigen die Kandidatinnen in Badeanzügen in den ewig drohenden Pool. Schön brav auf die Knie, „wie als Kind, als ihr Hündchen gespielt habt“, kommandiert Blümel. Und aus den Diskoboxen dröhnt es: „Das ist die kesse Biene aus der Nachbarschaft. Die ist so scharf, daß sie sogar den Nachbarn schafft.“

Mit wackliger Kamera, schlechtem Ton und ohne Dramaturgie will IA uns suggerieren, wir seien in Papis Partykeller. Hersteller dieser Schlüssellochshow, die qualitativer noch tiefer in die Knie geht als einst Hugo Egon Balders „Tutti- Frutti“, ist Ulrich „Einspruch“ Meyers Produktionsfirma Meta. „Das ist eine absolute Billigproduktion“, erzählt mir ein Techniker. „Das Mieseste, was ich bis jetzt gesehen habe.“ Dabei ist auch der Erfinder dieses Aldi-Markts der Gefühle kein No-name: Winni Gahlen hat schon Hella von Sinnens „Alles nichts, oder?“ kreiert. Peinlich ist ihm das Ganze nicht: „Nein, wieso, wenn sich die Leute gut unterhalten.“ Die Spiele seien im übrigen alle so einfach konzipiert, daß man sie zu Hause nachspielen könne.

Da sollten sich die Frauen in Berlin und Brandenburg auf einiges gefaßt machen. Bei der heutigen Sendung werden die Nachbarinnen zur Eröffnung verpackt in Postsäcken auf die Bühne geschleppt. Blümel löst die Schleifen („Na, ist es warm da drin?“), um die Kandidatinnen sodann den Berliner Funkturm aus Knetgummi nachbilden zu lassen. Nachbarn, die nicht sofort selber drauf kommen, wird gern nachgeholfen: Als die „Bienen“ mit dem Kneten fertig sind und man ihnen die verbundenen Augen öffnet, steht da statt des Funkturms ein Plastikschwanz. Andreas Becker

20.15 Uhr, IA Brandenburg

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