■ Legenden französischer Generäle im bosnischen Krieg: Fanfan der Husar in neuer Gestalt
Fanfan der Husar, Napoleon III, Philippe Morillon – schon häufig in ihrer Geschichte haben die Franzosen prächtige Schauspieler im Soldatenrock hervorgebracht. Wie der inzwischen zum „Helden von Srebrenica“ verklärte Morillon dürfte nun auch Jean Cot bald auf Talk-Show-Walze gehen, ein Buch schreiben und sich Verdienstorden an die Brust heften lassen. Als aufrechter Unprofor-Kommandeur, der angeblich an Butros Ghalis Wiederstand gegen Luftangriffe auf serbische Stellungen in Bosnien gescheitert ist. Glänzende Voraussetzungen für die geplante Kandidatur zum Europaparlament!
Cot ist nur der vorläufig letzte in einer ganzen Reihe französischer Militärs und Politiker, die den blutigen Krieg in Ex-Jugoslawien schamlos für ihre eigene Profilierung mißbrauchten und dabei ihre tatsächliche Rolle zu verschleiern wußten. Dem ist allemal die nüchterne, umstandslose Politik der Briten vorzuziehen, die aus ihren Interessen im exjugoslawischen Konflikt kaum einen Hehl machen und deren Unprofor-Soldaten sich bei der Begleitung der Hilfskonvois und dem Schutz der Zivilbevölkerung als die effektivsten erwiesen.
Den Anfang der französischen Als-ob-Solidarität mit den Opfern von Krieg und Aggression in Bosnien machte Staatspräsident Mitterrand mit seinem Flug in das umkämpfte Sarajevo im Juli 92. Diese Reise war nicht mehr als eine folgenlose Ersatzhandlung. Nicht zuletzt vernebelte sie die Tatsache, daß Frankreich schon damals (wie Großbritannien und andere EU- Staaten auch) auf dem diplomatischen Parkett aktiv die Teilung Bosniens betrieb. Morillon war es dann, der als Unprofor-Kommandeur in Bosnien Ende 1992 die Praxis der dortigen Unprofor-Truppen entscheidend veränderte. Sein Vorgänger McKenzie hatte, ohne daß ein Schuß gefallen wäre, noch jeden humanitären Hilfskonvoi durchgesetzt. Morillon verlegte sich aufs Verhandeln mit dem damals noch ausschließlich serbischen Straßenblockadeuren. Blieben die Verhandlungen ergebnislos, so Morillons Anweisung an seine Untergebenen, so hatte der Konvoi ins Ausgangslager zurückzukehren. Auf dieses Verhalten der UNO-Soldaten können sich die Blockadeure von Hilfskonvois seitdem fest verlassen. Morillons Fahrt in das umlagerte Srebrenica erwies sich als ebenso folgenlose Symbolhandlung wie Mitterrands Sarajevo-Trip.
Im Falle Cot gab es ein Zusammenspiel mit der Regierung in Paris. Während der General vor drei Wochen mit den törichten Satz „Wir haben die Offensive vorbereitet und warten nur noch auf den Einsatzbefehl aus New York“ Schlagzeilen machte, erweckten Vertreter der Regierung im Vorfeld des Brüsseler Nato-Gipfels den Eindruck, sie seien zu Luftangriffen in Bosnien bereit. Auf dem Gipfel mußte Außenminister Juppé dann die Hosen runterlassen. Auf die Frage, wer denn die im Gipfelkommuniqué angedeuteten Luftangriffe zur „Öffnung“ des Flughafens Tuzla fliegen solle, anwortete er: „die Amerikaner“. Und wenige Tage später sprach sich General Cot – gemeinsam mit allen anderen Unprofor-Kommendeuren – bei den Zagreber Konsultationen mit ihrem politischen Vorgesetzten, Ghalis Sonderbeauftragten für Ex-Jugoslawien, Akashi, dezidiert gegen Luftangriffe auf serbische Stellungen bei Tuzla, Srebrenica und Sarajevo aus. Entsprechend lauteten die Empfehlungen, die Akashi dann am Montag dieser Woche in Genf Butros Ghali vorlegte. Doch wahrscheinlich wird die Wahrheit der Legendenbildung um Cot wenig schaden. Andreas Zumach, Genf
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