: Gedenkstätte als politisches Faustpfand
■ Diepgen droht, wenn Waigel die Bundeshilfe wirklich kürzt
Nachdem das Bundeskabinett am Montag eine Reduzierung der Berlinhilfe für 1994 um 642 Millionen Mark beschlossen hat, droht das Land Berlin, den Geldhahn für Bundeseinrichtungen in Berlin, die es mitträgt, zuzudrehen. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen nannte gestern als Beispiele für solche Einrichtungen das Haus der Kulturen der Welt, das vom Bundesaußenministerium und Berlin finanziert wird, und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand in der Stauffenbergstraße. Sie fällt in die Zuständigkeit des Bundesinnenministeriums. Generell will der Senat prüfen, ob er die Finanzierung bei „Einrichtungen von gesamtstaatlicher repräsentativer Bedeutung“ im Berliner Stadtgebiet aufrechterhalten kann. Unter diese Definition würde auch das Haus der Wannseekonferenz, die Berliner Festspiel GmbH und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz fallen. Diepgen will zukünftig darauf bestehen, daß bei all diesen Einrichtungen eine Aufgabenabgrenzung zwischen dem Bund und Berlin „sehr dezidiert vorgenommen wird“.
Mit dieser Androhung will Diepgen Druck auf die Bundesregierung ausüben. „Der unmittelbare Eingriff in den laufenden Haushalt Berlins“, die 642-Millionen-Mark-Kürzung, soll zurückgenommen werden. Doch die Chancen dafür seien sehr gering.
Deshalb konzentrieren sich die Bemühungen des Senats auf einen Nachtragshaushalt, der im Laufe der nächsten acht Wochen beschlossen werden soll. In ihm sollen Sparvorhaben, die erst für den Doppelhaushalt 1995/96 beabsichtigt waren, vorgezogen werden. Diepgen will die für den Wohungsbau vorgesehenen Fördermittel so umschichten, daß „der private Wohnungsbau in Berlin wieder eine größere Bedeutung“ bekommt. Zudem soll die Verwaltungsreform abgeschlossen werden. Dazu gehöre auch, daß „die Zahl der Bezirke deutlich reduziert wird“. Diepgen kündigte Entscheidungen des Senats über die Einführung von Teilzeitarbeit im öffentlichen Dienst an – ohne Lohnausgleich, freiwillig und orientiert an Neueinstellungen. Dadurch könnten 25.000 Planstellen bis 1997 eingespart werden, „ohne daß 25.000 Menschen betroffen sein müssen“. In Anbetracht der Zahl von über 30.000 Bürgerkriegsflüchtlingen in der Stadt forderte Diepgen eine „quotenmäßige Aufteilung auf die Bundesländer“. Der Senat verspricht sich davon eine Reduzierung der Kosten, die für 1994 mit 600 Millionen Mark veranschlagt werden. Der regierende OB betonte, daß im Bereich der sozialen Einrichtungen keine Einschnitte vorgenommen werden könnten, und zwar wegen dem grundsätzlich humanitären Anliegen der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen. Die Kapazitäten seien erschöpft. Im Februar wird die Innenminister-Konferenz der Länder sich erneut mit dem Berliner Begehren befassen, die Flüchtlinge nach Quote zu verteilen und den Bund zu 50 Prozent an den Kosten zu beteiligen. Dieter Rulff
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